Mutmaßliches Boko Haram-Mitglied:"Schwer nachvollziehbar"

Flüchtlingshilfe kritisiert Verlegung des Terrorverdächtigen nach Dorfen

Der Verein Flüchtlingshilfe Dorfen moniert ein "rätselhaftes Verhalten der Behörden" bei der Festnahme eines mutmaßlichen Mitglieds der radikal-islamistischen Boko Haram vor einer Woche in der Unterkunft Lindum: "Warum dieser Asylbewerber noch im Dezember letzten Jahres ausgerechnet nach Lindum verlegt wurde, ist schwer nachvollziehbar", heißt es in einer Pressemitteilung: "Der Verdacht kam gewiss nicht über Nacht, und Hinweise auf seine Vergangenheit wurden sicherlich seit längerem gesammelt."

In der Unterkunft Lindum wohnen Familien unterschiedlicher Herkunft und Religionen mit insgesamt 23 Kindern. Lindum ist wegen seiner Alleinlage etwa fünf Kilometer abseits von Dorfen und aufgrund der schlechten Verkehrsanbindung nach Einschätzung der Flüchtlingshilfe "als Flüchtlingsunterkunft denkbar ungeeignet". Die bereits komplizierte Sozialstruktur verschärfte sich durch die Verlegung von 17 jungen Männern von Ingolstadt nach Lindum Dezember 2017. Durch "Arbeitsverbote zum Nichtstun verurteilt und ohne Zukunftsperspektive langweilten sich viele frustriert durch den Tag." Beengte Verhältnisse in den Mehrbettzimmern und im Sanitärbereich, Gemeinschaftsküche und billigste Matratzen hätten das Konfliktpotenzial zusätzlich verschärft. Ohnehin gebe es in Konfliktsituationen oder für traumatisierte und psychisch belastete und labile Menschen keine angemessene sozialpädagogische oder psychologische Betreuung.

Auch wenn ein Grundprinzip eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens in Deutschland die Unschuldsvermutung ist, sei die Unterbringung des später dann festgenommenen Asylbewerbers in Lindum "ein nicht zu verantwortendes Risiko" gewesen. Es stelle sich "die Frage, ob die Regierung von Oberbayern grundsätzlich völlig planlos vorgeht oder es sich um eine Panne in einem politisch motivierten Flüchtlingsmanagement handelt, die Zustände in den Flüchtlingsunterkünften so unerträglich wie möglich zu gestalten", schreibt Franz Leutner im Namen der Flüchtlingshilfe Dorfen.

© SZ vom 02.02.2018 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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