Kreistagsbeschluss 2007:Herkulesaufgabe bis 2035

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Der Landkreis Freising feiert zehn Jahre Energiewende

Von Alexandra Vettori, Freising

Dass es sich um ein äußerst ambitioniertes Projekt handelte, ist den Kreisräten natürlich bewusst gewesen, als sie 2007 den Beschluss zur Energiewende fassten. Bis 2035, so der Plan, sollte die im Landkreis verbrauchte Energie komplett aus erneuerbaren Quellen, also Biomasse, Sonne, Wind und Wasser, stammen. Die gute Nachricht: Beim Strom stammen schon fast 71 Prozent der verbrauchten gut 800 000 Millionen Kilowattstunden aus regenerativen Quellen. Die schlechte Nachricht: Bei Wärme und Verkehr schaut es düster aus.

Trotzdem wird an diesem Mittwoch, 10. Mai, im Landratsamt das zehnjährige Bestehen des Energiewende-Beschlusses gefeiert, denn tatsächlich steht man im Freisinger Land im Vergleich mit manch anderen Landkreisen ziemlich gut da. Das liegt nicht nur, aber auch, an den engagierten privaten Mitstreitern. So gibt es zwei aktive Solarvereine und mittlerweile sogar eine Bürgerenergiegenossenschaft, die nicht nur produziert und einspeist, sondern auch Strom verkauft. Doch mit Recht wird keiner der Festredner vergessen, darauf hinzuweisen, dass noch viel zu tun ist.

Derzeit hat im Landkreis Freising bei den erneuerbaren Energien die Biomasse die Nase vorne, vor allem wegen der großen Holz-Verbrennungsanlagen in Zolling und Neufahrn. 28,2 Prozent der erneuerbaren Energie werden mit der Verstromung von Holz oder Mais erzeugt. Dicht dahinter folgt die Wasserkraft, 23 Anlagen produzieren 26,5 Prozent des Stromes. Die beiden Windräder tragen zu 0,6 Prozent zum Energie-Mix bei, Photovoltaik zu 15,4 Prozent.

Wie viel es noch für die Energiewende braucht, machen folgende Zahlen deutlich, denn Energiewende, das würde auch die Wende bei Wärmeerzeugung und Verkehr bedeuten, den beiden größten Energie-Schluckern. Auf 1,7 Milliarden Kilowattstunden (kWh) wird der Wärmebedarf im Landkreis Freising geschätzt. Weil die Bevölkerung wächst, werden es bis in 20 Jahren wohl 1,9 Milliarden sein. Bisher stammen 75 Millionen Kilowattstunden aus Biogas und Solarthermie sowie weitere gut 77 Millionen aus den Biomasse-Heizkraftwerken in Neufahrn und Zolling. Wärme aus Brennholz und Pellets kommt noch hinzu. Wie die Dekarbonisierung geschafft werden soll, weiß derzeit niemand so ganz genau. Fakt aber ist: der Strombedarf wird steigen.

Eine ähnliche Herkulesaufgabe ist der Verkehr. 1,5 Milliarden Kilowattstunden werden hierfür im Landkreis Freising geschätzt aufgewendet. Bundesweit decken erneuerbare Energien beim Verkehr bisher vier Prozent. Soll die Energiewende auf Straße und Schienen also gelingen, müssen Individual- und Güterverkehr künftig verstärkt auf Elektrofahrzeuge mit Batteriespeicher umsteigen. Davon aber ist die breite Masse weit entfernt. Im Landkreis gab es Ende 2016 ganze 187 E-Autos, die rund 100 000 Verbrennungsmotoren gegenüber standen.

So schwierig die Energiewende auch scheint, angesichts der Tatsache, dass fossile Brennstoffe irgendwann zur Neige gehen, wird klar, dass es keine Alternative gibt. Und auch wenn der technische Fortschritt immer neue Verfahren bringt, mit denen immer neue Öl-Vorkommen erschlossen werden, wird der Klimawandel die Reduktion von Kohlendioxid notwendig machen. So verwundert es nicht, dass sich auch im Landkreis Freising eine breite Front Energie-bewusster Kommunen gebildet hat. 17 Gemeinden des Landkreises haben sich schon 2007 bereit erklärt, sich in der Energiewende mehr zu engagieren und sind dem Klimaschutzbündnis beigetreten, in elf von ihnen, vor allem ländlichen, wird schon mehr regenerativer Strom produziert als verbraucht.

So groß das Engagement ist, derzeit sind den erneuerbaren Energien mehr Grenzen gesetzt, als dass sie gefördert werden. Bei der Wasserkraft sind die naturverträglichen Standorte weitgehend ausgereizt, und mehr als die zwei Windräder wird es in naher Zukunft im Landkreis auch kaum geben, da die Staatsregierung diese Energiereform mit der 10h-Regelung ausbremst. Der dort vorgeschriebene Abstand zur nächsten Wohnbebauung, der das zehnfache der Windradhöhe betragen muss, lässt sich fast nirgends einhalten. Bleiben Photovoltaik und Biomasse, denen aber derzeit die sinkenden Einspeisevergütungen Zuwächse verwehren.

© SZ vom 10.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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