Klinik Wartenberg:Rollstühle für Afghanistan

Lesezeit: 2 min

36 Rollstühle, viele Krücken, Prothesen, Orthesen und Schienen und anderes mehr hat die Klinik Wartenberg für die Minenopfer in Afghanistan gesammelt. (Foto: Renate Schmidt)

Die "wilde Idee" einer Mitarbeiterin führt zu einer großen Hilfsaktion der Klinik Wartenberg. Aufbauhelfer Abdul Wali Nawabi nimmt das Versprechen mit, dass diese erste Lieferung bestimmt nicht die letzte ihrer Art war

Von Wolfgang Schmidt, Wartenberg

Zum guten Schluss war der Sprinter bis zur kleinsten Ritze unter dem Dach vollgestopft. Der Inhalt wird sich auf die Reise nach Afghanistan begeben, als da wären 36 Rollstühle, viele Krücken, Prothesen, Orthesen und Schienen und anderes mehr, was in Deutschland keine Verwendung mehr finden darf. Karin Bogdain war nach der Übergabe erleichtert und Gisela Glaser und Abdul Wali Nawabi zeigten sich regelrecht begeistert von der Menge der Rollstühle, die die Klinik Wartenberg für den Abtransport gesammelt hatte.

Karin Bogdain hatte eine "wilde Idee" gehabt, der Eingebung folgte eine Internet-Recherche und als sie dort auf den Verein "Empor" traf, stand für sie fest, wer der Empfänger der Sachen sein sollte. "Ich war sofort fasziniert von dem Projekt", sagte Bogdain. "Empor", ein kleiner Verein mit Sitz in Poing ( www.afghanempor.com), hat es sich zur Aufgabe gemacht, Aufbauhilfe in Afghanistan zu leisten und Minenopfer mit Hilfsmitteln zu versorgen. Dass die Spenden auch dort ankommen, wo sie gebraucht werden und nicht auf der langen Reise irgendwo verschwinden, dafür garantieren Sylvia Glaser vom Münchner Sozialreferat und eben Abdul Wali Nawabi. Den Orthopädietechniker zog es nach fast 30 Jahren in der bayerischen Landeshauptstadt wieder in sein Heimatland zurück, weil er dem Elend in Kabul oder Kundus nicht mehr zusehen wollte. Seit 2003 arbeitet das Münchner Sozialreferat mit "Empor" zusammen. Und die Sachmittelspende aus Wartenberg war natürlich nicht die erste, die Glaser begutachten konnte. Aber mit die "außergewöhnlichste", wie sie sagte, denn so viele Rollstühle auf einmal, das war selbst für sie ein "absoluter Glücksfall", noch dazu in dem sehr guten Zustand, in dem sich die Geräte befinden.

Die Rollstühle und die anderen nützlichen Dinge dürfen in Deutschland aus hygienischen Gründen nicht mehr benutzt werden, weil es die immer strengeren Vorschriften so wollen. Da genügen schon Kleinigkeiten wie ein Riss im Bezug, wie Klinik-Geschäftsführer Constantin von Stechow demonstrierte, um die voll funktionsfähigen Rollstühle aus dem Verkehr ziehen zu müssen. Pfleger der Klinik, sagte Bogdain, trauerten den alten Vehikeln sogar nach, weil diese um einiges stabiler seien als die moderne Ausführung. Auch fast nagelneue Krücken sollen bei einem zweiten Patienten hierzulande nicht mehr zum Einsatz kommen, wenn es nach den Vorschriften geht.

In Afghanistan aber sind Rollstühle absolute Mangelware, auch einzelne Teilstücke wie lose Rollstuhlräder sind begehrt. Nawabi sagte, die Sachen würden bei Bedarf auseinandergebaut, gereinigt und wieder zusammengesetzt und erfüllten dann noch Jahre ihren Dienst für arme Patienten, die sich eine geeignete Versorgung nicht leisten können. Gebraucht werden auch Werkzeuge jeder Art sowie Geldspenden zum Ankauf von Materialen und Werkstoffen zur Herstellung von Prothesen. Nawabi hat in Kundus einen eigenen Betrieb eingerichtet, in dem sich 20 Mitarbeiter - darunter sechs Behinderte - um bedürftige Patienten kümmern. Die meisten davon, so Nawabi, seien so arm, dass sie nicht einmal ihren Lebensunterhalt bestreiten könnten. Schon gar nicht können sie sich Prothesen oder gar Rollstühle leisten - eine Krankenversicherung gibt es in Afghanistan nicht.

Der Sprinter-Inhalt wird nach München gebracht, dort zwischengelagert und später Bestandteil eines 40-Fuß-Containers mit den ausladenden Maßen von zwölf Metern Länge, 2,50 Metern Breite und drei Metern Höhe sein. Seit 2005 wird das darin gesammelte Gut einmal jährlich nach Afghanistan geschickt. "Wir können alles brauchen und alles wird wieder verwendet", sagte der Aufbauhelfer.

Dass diese erste Lieferung aus der Wartenberger Klinik nicht die letzte ihrer Art war, dieses Versprechen des Geschäftsführers Stechow konnte Nawabi mitnehmen - "auch wenn es nicht mehr so viel auf einmal werden wird".

© SZ vom 17.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: