Hohenpolding:Gestohlene Hühner, geplünderte Einödhöfe

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Im Januar 1946 fuhren drei Polizisten mit dem Pferdeschlitten nach Hohenpolding und gründeten einen Landpolizeiposten

Von Thomas Daller, Hohenpolding

1946 hatten die damals fünf Holzlandgemeinden Hohenpolding, Hofstarring, Steinkirchen, Sulding und Wambach zusammen 3596 Einwohner. Davon waren 801 Flüchtlinge, 69 sogenannte Evakuierte und 17 Ausländer. In diesen Notzeiten nach dem Zweiten Weltkrieg häuften sich die Eigentumsdelikte: Einödhöfe wurden geplündert und Hühner gestohlen. Vor 70 Jahren, im Januar 1946, wurden dann drei Polizisten mit einem Pferdeschlitten nach Hohenpolding gebracht, um dort einen Landpolizeiposten zu gründen. In der ehemaligen Post in der Schulstraße 3 fanden sie im ersten Stock zwei leere Zimmer, die sie als Dienstzimmer und Unterkunft nutzen konnten. Dann machten sich die drei Polizeiwachtmeister Johann Sterr, Johann Blumoser und Sebastian Rettenbeck an die Arbeit.

"Anfangs mussten sie ihre Dienstgänge alle zu Fuß erledigen, Fahrräder gab es erst später und 1956 haben sie ein Motorrad bekommen", erinnerte sich Josef Sterr, dessen Vater Leiter des Postens war. "Bei den ersten Dienstgängen wurden die Polizisten verstohlen aus den Fenstern beobachtet. Es war schwer, das Vertrauen der Landbevölkerung zu gewinnen, aber als der erste Einbruch in Bälde geklärt werden konnte, kam Vertrauen auf", heißt es in den Aufzeichnungen von Wachtmeister Johann Sterr: "Die Eigentumsdelikte stiegen 1946 bis 1954 laufend an, und man merkte bald, dass die Polizei nicht fehl am Platze war, sondern ihr Bestes gab."

Zu schaffen machte den Polizisten zu Anfang ein Täter, der sich nicht mit Hühnern zufrieden gab, sondern nachts Kühe schlachtete und das Fleisch stahl. Nur die Köpfe ließ er immer zurück. Wegen dieses Vorgehens war er berüchtigt in der Gegend. Weil er das Fleisch verkaufte, kamen ihm die Hohenpoldinger Polizisten schließlich doch auf die Schliche und sperrten ihn ein. Damit hatten sie bei den Landwirten wieder einen Stein im Brett. "Mein Vater verstand sich gut mit den Bauern", sagte Josef Sterr, "denn er stammte selbst aus einer Landwirtschaft." Sterr kann sich noch erinnern, dass er mit seinem Vater mal auf einen Dienstgang zu einem Bauern unterwegs war, als ein Gewitter aufzog. Der Landwirt war gerade dabei, das Heu einzuholen, bevor es vom Regen nass würde. "Als mein Vater gesehen hat, dass die Zeit knapp wird, hat er sein Dienstsakko ausgezogen, die Heugabel gepackt und mitgeholfen", erzählte Josef Sterr. Zeitgleich sei ein Vorgesetzter des Postenchefs, der von Erding gekommen sei, auf der Suche nach ihm gewesen. Als er ihn beim Heuauflegen ertappte, "hat er ihn nicht geschimpft, sondern belobigt", sagte Josef Sterr. "Man verstand sich als Freund und Helfer."

Im Bereich der Landpolizeistation Hohenpolding wurden damals jährlich etwa 100 Verbrechen und Vergehen sowie durchschnittlich 65 Übertretungen angezeigt. Die meisten Fälle wurden aufgeklärt, die Dunkelziffer lag bei etwa fünf Prozent. Durch die Zunahme des Kraftverkehrs mussten außerdem jährlich 20 bis 25 Verkehrsunfälle bearbeitet werden. Die Stationsbeamten mussten auch Selbstmorde, Betriebsunfälle und Brände bearbeiten. Außer diesen Arbeiten hatten sie jährlich etwa 500 Erhebungsschreiben für andere Dienststellen, Gerichte, Landratsämter, Stadtpolizeien, Staatsanwaltschaften und Finanzämter zu erledigen. Angesichts der vielen Aufgaben kamen 1949 zwei weitere Beamte hinzu. Das erschien den Bürgermeistern der Gemeinden Hohenpolding und Sulding zu viel und sie schrieben einen Brief ans Landratsamt. Darin heißt es, dass diese Personalaufstockung von der Bevölkerung viel kritisiert werde, weil früher in Hohenpolding überhaupt keine Polizeistation eingerichtet war. "Eine besondere Härte ist das Beschaffen der Wohnungen, nachdem es sich um fünf verheiratete Beamte handelt, die in Hohenpolding angestellt sind. Es bedeutet gerade für die hier ansässigen Flüchtlinge eine Härte, dass die sowieso schon wenigen Wohnungen in Hohenpolding gänzlich von den Beamten der Landpolizei in Anspruch genommen werden. (...) Die jetzige Überbelegung des Landpolizeipostens ruft bei der Bevölkerung nur Unwillen hervor und wird als unangebrachter Beamtenaufbau empfunden."

Scheinbar hatte der Brief Erfolg, denn 1950 wurde die Stärke wieder auf vier Mann verringert. 1950 wurde dann noch ein Beamter aus gesundheitlichen Gründen entlassen, sodass der Posten wieder aus drei Mann bestand. Neben der Beruhigung der Kriminalität trat mit der Zeit auch eine große Abwanderung der Flüchtlinge zu den Industrieorten ein. Die Zahl der Personen, die zum Stationsbereich zählten, sank von 3596 im Jahr 1946 auf 2678 im Jahr 1960. 1960 wurde die Landpolizeistation Hohenpolding aufgelöst und der "Großstation Dorfen" zugewiesen. Während die Landbevölkerung 1946 noch gegen die Errichtung eines Landpolizeipostens eingestellt war, schimpfte sie nun über dessen Auflösung. Man war sogar so weit, dass man sich den Ort Hohenpolding ohne Polizei nicht mehr vorstellen konnte.

© SZ vom 25.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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