Helfer schlagen Alarm:Dringender Handlungsbedarf

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Die Lage in der Asylunterkunft in Lindum spitzt sich weiter zu. Der Verein Flüchtlingshilfe Dorfen fordert erneut die Bezirksregierung auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die Situation nicht "ins Chaos laufen zu lassen"

Von Florian Tempel, Dorfen

Franz Leutner war sein ganzes Arbeitsleben lang in der sozialen Arbeit tätig. Er kennt alle Arten von Wohnheimen, solche in denen Lehrlinge, Behinderte oder im Ausland angeworbene Arbeiter wohnten. Aber so ein ungenügend aufgestelltes Wohnheim wie die abseits von Dorfen gelegene Asylunterkunft in Lindum sei ihm bislang unbekannt gewesen: "Ich weiß nicht, warum man so etwas macht - aber so geht man nicht mit Menschen um." Auch Heiko Altmann, wie Leutner einer der drei Vorsitzenden des Vereins Flüchtlingshilfe Dorfen, fordert noch einmal mit Nachdruck die Regierung von Oberbayern zum Handeln auf. Die für die Unterkunft zuständige Behörde sehe offenbar "nur ihren Unterbringungsauftrag, aber sie sieht nicht das Leben der Menschen".

Schon vor zwei Wochen hat die Flüchtlingshilfe Dorfen Alarm geschlagen. Die Situation im ehemaligen Ausflugslokal Stiller ist zugespitzt. Bis zum Herbst war die Unterkunft nur mit Familien und alleinerziehenden Frauen belegt. Anton Empl und Christine Langwieder betreuen seit Juni 2016 als Helfer das Wohnheim. Trotz aller Schwierigkeiten, trotz der Perspektivlosigkeit vieler Bewohner, trotz der vielen allgemeinen und der zahlreichen individuellen Probleme, "hatten wir bis vor einem Vierteljahr das Gefühl, wir packen das". Doch dann wurden völlig überraschend fast 20 Singlemänner einquartiert. Diese Belegung "ohne Rücksicht auf die vorhandene Sozialstruktur", birgt zerstörerisches Konfliktpotenzial.

Die Bezirksregierung hat durch eine gedankenlose Einquartierung den Boden für "Unruhe, Auseinandersetzungen und Probleme" bereitet, klagen die ehrenamtliche Flüchtlingshelfer. Die schwierige Lage der im Wortsinn an den Rand der Gesellschaft abgeschobenen Frauen, Kinder und Männer wird nun durch interne Konflikte weiter verschärft. Die "ganze Bandbreite von psychischen Problemen, Bedrohungen gegenüber Kindern bis hin zu Selbstmordgefährdungen" erschöpft und überfordert die Helfer. Die staatlichen Behörden aber "gehen prinzipiell davon aus, dass die Freiwilligen es schon machen", sagt Franz Leutner, ignorieren gleichzeitig jedoch die Ehrenamtlichen.

Dabei wäre es so hilfreich und einfach, wenn man sich wenigstens einmal zu einem Gespräch zusammen setzten könnte, sagt Heiko Altmann. Man könnte vielen klären und einiges voranbringen. Drei Dinge müssten unbedingt passieren, wenn man Lindum "nicht ins Chaos laufen lassen" wolle, fordert Franz Leutner: In die mit 78 Bewohnern eh stark belegte und längst beengte Unterkunft dürften nicht noch mehr Menschen einquartiert werden; es brauche ein Belegungskonzept, das die Bedürfnisse von Familien berücksichtige; und es müsse unbedingt ein Fahrdienst organisiert werden.

Die Dorfener Helfer betrübt eines besonders: selbst der Umstand, dass ein Drittel der Bewohner der Unterkunft in Lindum Kinder und Jugendliche sind, scheint die Bezirksregierung kalt zu lassen. "Ich verstehe das nicht", sagt Franz Leutner, "wir leben doch in einem Land, das eigentlich sehr familienfreundlich ist". Für die Kinder in Lindum gilt das nur sehr eingeschränkt.

© SZ vom 07.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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