Grußwort beim Kreisbauerntag:"Empörend und geschichtsvergessen"

Lesezeit: 2 min

Martin Bayerstorfer, Erdinger Landrat und Großbauer aus Kleinaign. (Foto: Renate Schmidt)

Die Sprecher des Grünen-Kreisverbands, Annett Burgarth und Stefan Herbasch, kritisieren Landrat Martin Bayerstofers Redebeitrag beim Kreisbauerntag.

Von Florian Tempel, Erding

Hauptredner beim Kreisbauerntag war in diesem Jahr Ludwig Hartmann. Der Chef der Grünen im bayerischen Landtag sprach vor 450 Landwirten und anderen Interessierten am Montag im Oberdinger Festzelt eine Stunde über die Notwendigkeit von mehr Naturschutz und mehr Tierwohl. Martin Bayerstorfer (CSU), Erdinger Landrat und Großbauer aus Kleinaign, war natürlich auch dabei, musste sich aber mit ungleich weniger Zeit für seinen Grußwort-Redebeitrag begnügen. Bayerstorfer hatte sich wohl auch deshalb vorgenommen, möglichst pointierte Aussagen zu machen - oder zumindest das, was er dafür hält.

Nach übereinstimmenden Berichten von Ohrenzeugen brachte er in einem Satz die Bürokratie bei der landwirtschaftlichen Tierhaltung und den Umgang mit Migrantinnen und Migranten unter. Laut einer Pressemitteilung des Grünen-Kreisverbands soll Bayerstorfer dies gesagt haben: "Die Tiere brauchen zwei Ohrenmarkerl, lauter Bürokratie, nur bei den Menschen interessiert es uns nicht, woher die kommen!" Ein im Festzelt anwesender SZ-Reporter wollte den exakten Wortlaut nicht bestätigen, sehr wohl jedoch, dass Bayerstorfer das sinngemäß so gesagt hat.

Die Sprecherin und der Sprecher des Grünen-Kreisverbands, Annett Burgarth und Stefan Herbasch, wollten Bayerstorfers Aussage nicht unkommentiert stehen lassen. Sie sei "aus mehrerlei Hinsicht empörend und geschichtsvergessen" und zeige "einmal mehr, an welchem äußeren Rand unser Landrat gerne polemisch auf Stimmenfang geht". Herbasch und Burgarth spannen dabei einen großen Bogen und holen ihrerseits die rhetorische Keule raus. Sie fragen, ob es wohl darum gehe, "Menschen bestimmter Herkunft und Denkweise wieder zu markieren?", und verweisen auf die NS-Zeit: "Zur Erinnerung: Wir Deutschen haben das schon einmal getan mit der Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden vom 1.9.1941."

Landrat Bayerstorfer ist ein Profi-Redner. Er weiß genau, was er sagt und wie es bei den Zuhörern ankommt. Der zitierte Satz ist ein Musterbeispiel seiner Rhetorik, die, ohne etwas klar anzusprechen, große Stimmungswirkung entfalten kann. Was hat er denn eigentlich genau kritisiert, was will er denn? Soll die Herkunftsmarkierung von Tieren in der Landwirtschaft wegfallen? Oder sollen auch Menschen künftig Ohrmarken tragen müssen? Um welche Menschen von woher geht es ihm denn überhaupt? Geht es um grundsätzlich um Geflüchtete oder Migranten oder irgendwelche Nachbarn, die ohne sich vorzustellen ins Dorf gezogen sind? Das alles lässt Bayerstorfer bewusst offen. Er weiß, dass man ihm ganz weit rechts Applaus spenden wird, und dass er gleichzeitig die Grünen mit einem so unausgegorenen Satz auf die Palme bringen kann. Ohne wirklich was gesagt zu haben.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: