Großhandel nach Garching:Tagwerk verlässt Dorfen

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Eine Tagwerk-Mitarbeiterin packt Ökokisten zusammen. Das Gemüse kommt aus dem Münchner Umland. (Foto: Robert Haas)

Der Biogroßhandel wird 2017 nach Garching verlegt. Von derzeit etwa 40 Voll- und Teilzeitjobs bleiben nur noch fünf in Dorfen. Die wesentliche Aufgabe der Genossenschaft soll fortan im Marketing liegen

Von Florian Tempel, Dorfen

"Tagwerk - der nächste Schritt", der Titel des einführenden Vortrags bei der Generalversammlung der Biogenossenschaft Tagwerk war von Vorstandsmitglied Reinhard Gromotka sehr schön gewählt. Das klingt doch positiv: Es geht voran, wir sind auf dem Weg, Dynamik statt Stillstand. Die konkrete Veränderung, die nach Gromotkas Grundsatzreferat bekannt gegeben wurde, ist jedoch vollkommen prosaisch. Derzeit bietet Tagwerk in Dorfen noch etwa 40 Voll- und Teilzeitjobs, vom kommenden Jahr an werden es nur noch fünf sein. Die Stadt an der künftigen Isentalautobahn scheint von einem Fluch heimgesucht. Nach der Ziegelei Meindl und dem Hydraulikhersteller Hawe verliert Dorfen einen weiteren Betrieb und viele Arbeitsplätze.

Parallelstrukturen werden fusioniert

Wie bereits vor einem Jahr angekündigt, konzentriert Tagwerk sein Großhandelsgeschäft künftig an einem Ort - und das ist fortan Garching. Bislang war der Tagewerk Großhandel aufgesplittet. Der Obst- und Gemüsehandel lief in einer eigenen GmbH über Garching, alles andere - Fleisch, Wurst, Käse, Milchprodukte, Trockenwaren und so weiter - wurde in Dorfen von der Genossenschaft selbst umgeschlagen. Diese Parallelstrukturen werden nun in einer einzigen Großhandels GmbH in Garching-Hochbrück fusioniert.

Für diesen Standort gab es mehrere Gründe: Der Obst- und Gemüsehandel ist schon seit vielen Jahren aus Dorfen weg, weil am dortigen Tagwerkzentrum in der Nähe des Dorfener Bahnhofs nicht genügend Platz ist. Und selbst wenn: Der Mietvertrag des 1998 bezogenen Gebäudes läuft eh Ende 2018 aus. Der Münchner Bernd Louisoder, Gründer der nach seinem Vater benannten Gregor-Louisoder-Umweltstiftung, hatte das Zentrum einst eigens für Tagwerk gebaut, es aber im vergangenen Jahr verkauft. Der Dorfener Immobilienunternehmer Robert Decker wird auf dem Gelände nun weitere Wohnhäuser errichten. Schließlich erschien Dorfen als Tagwerk-Standort an sich zu ungünstig gelegen, weil zu weit weg vom wichtigen Absatzmarkt München. Daran ändere nichts, dass in dreieinhalb Jahren die Autobahn A 94 fertig sein soll.

Auch Garching ist nur eine Übergangslösung

Nach der langfristigen Strategie von Tagwerk wird auch der Standort Garching-Hochbrück nur eine vorübergehende Lösung sein. Tagwerk strebt an, zusammen mit den Biogroßhandelsfirmen Bodan und Epos ein gemeinsames Handels- und Dienstleistungszentrum, im Raum "Kirchheim-Poing-Pliening" zu entwickeln, wie bereits vor einem Jahr verkündet wurde. Die Suche nach dem idealen Gelände ist aber offenbar schwieriger als gedacht. Nun hieß es, vor 2020 werde nichts aus den Plänen. In Garching -Hochbrück ist jedoch offenbar genug Platz vorhanden. Eine Halle für den erweiterten Großhandel ist bereits angemietet. Und die Kooperationspartner Bodan und die Münchner Bioladenkette Vollcorner sind auch hier mit ihren Lagern präsent.

Bei all diesen Veränderungen stellt sich die Frage, was von der Genossenschaft bleibt und was diese noch für Aufgaben hat. Zum einen ist die Genossenschaft Mitgesellschafter ihrer Großhandels-GmbH, bei der Tagwerk-Biometzgerei in Niederhummel im Landkreis Freising, stiller Teilhaber beim Kooperationspartner Bodan und bei mehreren Tagwerk-Einzelhandelsgeschäften.

Auch Verbraucher gehören der Genossenschaft an

Die 1984 von einer Handvoll Öko-Pionieren gegründete Genossenschaft ist vor allem aber ein über drei Jahrzehnte immer weiter gewachsenes großes, vielschichtiges Netzwerk: Es gibt nach wie vor die Tagwerkgenossenschaft mit mehr als hundert Lebensmittel-Erzeuger, die ihre Bioprodukte ganz oder teilweise über die Genossenschaft vermarkten. Außerdem gehören mehrere hundert Verbraucher der Genossenschaft an. Die Tagwerk-Waren werden in neun lizenzierten, aber eigenständigen Läden und auf Münchner Wochenmärkten verkauft, aber auch in von Tagwerk unabhängigen Bio-Geschäften wie den 16 Vollcorner-Filialen in München.

Das Wesentliche, was Tagwerk ausmache, erklärte Reinhard Gromotka in seinem Grundsatzreferat, sei die Marke. Der Kern von Tagwerk bestehe nicht mehr darin, den Handel mit Bio-Lebensmittel selbst zu organisieren, so wie das in den ersten Jahren und Jahrzehnten notwendig war. Die zentrale Aufgabe der Genossenschaft müsse fortan die Betreuung und Weiterentwicklung der Marke Tagwerk sein. Biowaren gibt es heute überall zu kaufen, die Konkurrenz im Bio-Handel ist groß. Wenn man die Umsätze aller Tagwerk-Teile zusammenfasse, komme man zwar auf eine beachtliche Summe von 30 Millionen Euro, sagte Gromotka. Doch im Vergleich mit anderen Bio-Handelsfirmen sei das wenig. Insgesamt wurde in Deutschland im vergangenen Jahr mit Bio-Waren ein Umsatz von 8,6 Milliarden Euro gemacht.

© SZ vom 02.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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