Flüchtlinge im Landkreis:Schwer vermittelbar

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Der Landkreis Erding hat eine äußerst geringe Arbeitslosenquote und 266 unbesetzte Ausbildungsplätze. Dennoch haben bislang nur wenige Flüchtlinge einen Job gefunden oder eine Lehre begonnen

Von Sophia Fürmann, Erding

Im Landkreis Erding liegt die Arbeitslosenquote bei nur 1,8 Prozent, das gilt als Vollbeschäftigung. Trotzdem haben selbst hier Flüchtlinge Schwierigkeiten einen Job zu finden. Sie in Arbeit und Ausbildung zu bringen, ist offenbar auch in einer Boomregion ein langwieriger Prozess. Integration gelingt "nicht von heute auf morgen", sagt Klaus Katzschner, Chef der Arbeitsagentur Erding. Doch er ist sich sicher, dass sich die Situation für Asylsuchende binnen eines Jahres positiv verändern werde: Die Arbeitsagentur hat spezielle Qualifizierungsmaßnahmen für Flüchtlinge aufgelegt. Und die Bundesregierung hat im Integrationsgesetz das Bleiberecht für Flüchtlinge, die eine Ausbildung machen, erheblich verbessert.

Derzeit leben laut Angaben des Landratsamts etwa 1350 Männer, Frauen und Kinder in einer Flüchtlingsunterkunft im Landkreis. 305 von ihnen sind offiziell anerkannte Flüchtlinge, die sich nun eigentlich eine eigene Wohnung suchen müssten. Doch ohne Job ist die Wohnungssuche so gut wie unmöglich.

"Arbeitsplätze für Flüchtlinge sind generell echt ein Problem, sie finden nur schwer Arbeit", sagt Sabrina Tarantik, Vorsitzende der Flüchtlingshilfe Erding. Und das, obwohl die meisten Flüchtlinge anspruchslos seien und auch unbeliebte Stelle wie Spül- oder Putzdienste annehmen würden: "Sie wollen ein geregeltes Leben haben und nicht mehr vom Geld des Staates abhängig sein." Tarantik kennt viele Flüchtlinge, die sich im Warteraum Asyl am Fliegerhorst ehrenamtlich als Dolmetscher engagierten. Vier von ihnen hätten dadurch eine Festanstellung bei einer Erdinger Security-Firma erhalten.

Die Arbeitsagentur hat seit Jahresbeginn gerade einmal - oder immerhin - 56 Flüchtlinge in Jobs vermittelt, überwiegend im Hotel- und Gaststättengewerbe. Mit wenigen Ausnahmen seien es nur Helfertätigkeiten gewesen, sagt Katzschner.

Bei den Azubis sieht es noch dürftiger aus. Einer Statistik der IHK zufolge machen im Landkreis Erding nur 17 Flüchtlinge eine Ausbildung - so wenige wie in keinem anderen Landkreis der Region. Und das trotz Bewerbermangels: 2016 gab es nach Angaben der Arbeitsagentur in Erding 768 freie Ausbildungsplätze, von denen 266 noch immer unbesetzt sind.

Dabei herrsche bei den Betrieben grundsätzlich große Bereitschaft, Flüchtlinge zu beschäftigen, versichert Tina Emslander, Leiterin der Industrie- und Handelskammer (IHK)-Geschäftsstelle Region München. Das Engagement der Unternehmen, Flüchtlinge auszubilden, dürfe auch aus Sicht der IHK aber noch zulegen. Emslander sieht zwei wesentliche Hürden: Zum einen reichen die Sprachkenntnisse oft nicht aus, um eine Ausbildung und den damit verbundenen Berufsschulunterricht erfolgreich zu meistern. "Sprache ist und bleibt der Schlüssel für die Integration." Zum anderen sei bislang der rechtliche Status der Flüchtlinge ein Hindernis gewesen. Ausbildungsbetriebe benötigten Rechts- und Planungssicherheit, sagt Emslander, die ihnen erst durch das neue Bundesintegrationsgesetz gewährleistet werde. Das Gesetz enthält das "3+2-Modell". Asylbewerber, die eine Ausbildung beginnen, haben künftig ein Bleiberecht von bis zu fünf Jahren: Für drei Jahre Ausbildung und zusätzlich in den zwei folgenden Jahren, wenn sie von ihrem Ausbildungsbetrieb übernommen werden. Ein anderes Problem bleibt aber nach wie vor. Flüchtlinge sind auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen, um Arbeitsplatz oder Ausbildungsbetrieb zu erreichen.

Klaus Katzschner von der Erdinger Arbeitsagentur ist überzeugt, dass sich die Situation für Flüchtlinge in den kommenden Monaten verbessern werde. Diejenigen, die eine Berufsintegrationsklasse besuchen, können sich im kommenden Jahr als Azubis bewerben. Die Klassen, die in zwei Jahren auf den Mittelschulabschluss abzielen, bereiten jugendliche Flüchtlinge gezielt auf eine Ausbildung vor.

Die Arbeitsagentur bietet daneben Qualifizierungsangebote an, um Flüchtlinge jeden Alters in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Es gibt fünf verschiedene "Maßnahmen", die Flüchtlinge über mehrere Monate bei der Suche und Bewerbung für Praktika und Arbeitsplätze unterstützen. Die Programme haben auf alle Fälle tolle Bezeichnungen: Sie heißen "Bayern Turbo", "Ida - Integration durch Arbeit", "Brückenjahr 21 plus" oder "Perspektive für Flüchtlinge". Vor allem berufsbezogene Deutschkenntnisse sollen dort vermittelt werden.

Flüchtlinge, die schon einen Schulabschluss oder eine Berufsausbildung mitbringen, hätten zwar eine leichtere Ausgangssituation, sagt Arbeitsagentur-Chef Katzschner. In Deutschland gebe es jedoch andere Qualitätsanforderungen, die es eigentlich gut ausgebildeten und berufserfahrenen Flüchtlingen schwer machten, einen Arbeitsplatz in ihrem Beruf zu finden: "Stellen wir uns einen Bauingenieur aus Syrien vor: Das Bauen dort ist anders als in Deutschland. Folglich sind auch die Ausbildungen unterschiedlich."

Katzschner ist aber grundsätzlich Optimist: "Je länger die Asylbewerber da sind, desto besser wird ihre Situation. Wir und das ganze Netzwerk bemühen uns, dass Integration gelingt und diejenigen, die motiviert sind, Arbeit bekommen - man kann es schaffen."

© SZ vom 30.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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