Flüchtlinge:Helfer springen wegen Asylpolitik ab

Lesezeit: 2 min

Bei Umfragen der Helferkreise in Erding, Finsing und Wartenberg ergab sich ein sehr klares Meinungsbild der Bevölkerung: Die Mehrheit ist für eine Arbeitserlaubnis für Asylbewerber. (Foto: Privat)

Arbeitsverbote und drohende Abschiebungen erzeugen Frust, Ärger und Demotivation. Damit werde jede Möglichkeit der Integration verhindert, moniert die Arbeitsgruppe Kommunalpass

Von Thomas Daller, Landkreis

Der hohe Prozentsatz von Ablehnungsbescheiden für Flüchtlinge, das daraus resultierende Arbeitsverbot und die drohenden Abschiebungen zermürben die Betroffenen und die Helfer im Landkreis. Frust, Ärger, Demotivation und Wut macht sich breit. Bei einem Pressegespräch der ehrenamtlichen Asylhelfer sagte Dagmar Wendel, viele Helfer würden wegen der aktuellen Asylpolitik abspringen, neue Helfer ließen sich kaum noch gewinnen. Auch der Leidensdruck für die Flüchtlinge verstärke sich: Manche würden aus Deutschland in Nachbarländer fliehen, um nicht nach Afghanistan oder Pakistan abgeschoben zu werden, andere würden sogar in die Illegalität abtauchen.

Zwei Drittel aller Flüchtlinge im Landkreis Erding, schätzt Gertrud Eichinger, kommen aus Ländern mit einer geringen Bleibeperspektive. Menschen mit guter Bleibeperspektive wie Syrer, Eritreer und Iraker würden nach Oberbayern kaum noch zugewiesen. Somit gebe es kaum noch Asylbewerber mit problemlosen Zugang zum Arbeitsmarkt oder zur Ausbildung. Flüchtlinge mit einer verbindlichen Aussicht auf einen Arbeitsplatz erhielten keine Arbeitserlaubnis mehr. Dadurch werde jede Möglichkeit zur Integration verhindert. "Dieses Arbeitsverbot", sagte Eichinger, "hat uns Helfern den Boden unter den Füßen weggezogen." Bei Umfragen in Erding, Finsing und Wartenberg hätten im Übrigen nicht einmal fünf Prozent der Befragten für ein Arbeitsverbot gestimmt, betonte Eichinger.

Für die Flüchtlinge sei es demütigend, es entstehe Frust und Zurückgezogenheit. Voraussichtlich 80 Prozent der bisher in Arbeit stehenden Asylbewerber, insbesondere Single-Männer, fallen nach einer Einschätzung der Helferkreise zurück auf den Kommunalpass. Ohne Perspektive würden sie dazu verdonnert, daheim zu sitzen. Dadurch schwinde auch die Akzeptanz der Bevölkerung, weil man ihnen "Faulheit" unterstelle. Außerdem sei dieses Vorgehen auch für die Bürger ungerecht, weil die Flüchtlinge, wenn sie arbeiten könnten, auch Steuern zahlen würden. Nicht zuletzt ist es auch schwierig für die Arbeitgeber, sagte Eichinger: "Die haben mit diesen Leuten gerechnet und ihre Auftragslage darauf abgestimmt."

Für die Flüchtlinge selbst ist die Situation am schwierigsten, erläuterte Maria Brand: Da sie generell nur einen Freibetrag bei Vermögen von 200 Euro haben dürften, müssten sie bei Entzug der Arbeitserlaubnis zunächst das Konto fast leer räumen, ehe sie in den Leistungsbezug kämen. Rücklagen für viele Monate seien daher nicht möglich. Da das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) aufgrund einer Weisung des Bundesinnenministeriums alle Asylfälle der vergangenen Jahre in kürzester Frist aufarbeiten müsse, zeigten die Anhörungen und Bescheide massive Mängel, die gründliche Einzelfallprüfung sei nicht mehr erkennbar. "Da sind katastrophale Bescheide darunter. Es wird kaum noch darauf eingegangen, was der Einzelne als persönliche Fluchtgründe angegeben hat. Stattdessen bekommt man als Bescheid sieben Seiten mit Textbausteinen beispielsweise über die allgemeine Situation in Afghanistan."

Das führe bei etwa 90 Prozent der Asylanträge zu Klagen beim Verwaltungsgericht - und das ohne Arbeitserlaubnis. Mindestens ein Jahr ohne Arbeit bis zur Wiederaufnahme des Verfahrens sei nicht unüblich. "Und wenn er vor Gericht gewinnt", sagte Brand, "ist sein Arbeitsplatz längst weg."

Bei einer Niederlage vor Gericht drohe dann die Abschiebung, die auch die Helfer massiv belasten: "Wir hören Suizidandrohungen", sagte Brand. "Manche tauchen in die Illegalität ab, es entstehen Sub- und Parallelwelten", ergänzte Wendel. Die Politik habe sich von der Willkommenskultur verabschiedet, so das Fazit der Helferkreise. Bei den Helfern verstärke sich der Eindruck, dass im jetzigen Wahljahr "so rechts wie möglich" mit diesen Handlungen um Wählerstimmen gebuhlt werde.

© SZ vom 24.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: