Flüchtlinge:"Bargeld schafft falsche Anreize"

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Im Landkreis Erding erhalten Flüchtlinge Wertgutscheine für den Kauf von Schuhen und Kleidung. Damit weicht man von der grundsätzlichen Regelung des Leistungsgesetzes für Asylbewerber ab

Von Florian Tempel, Erding

Der Landkreis Erding wird das zum 1. März geänderte Asylbewerberleistungsgesetz nicht vollständig umsetzen. Flüchtlinge im Landkreis erhalten das ihnen zustehende Geld für Kleidung und Schuhe nicht bar ausgezahlt, sondern stattdessen Wertgutscheine. In dem von Bundestag und Bundesrat geänderten Gesetz heißt es, dass Flüchtlinge, die außerhalb von Erstaufnahmeeinrichtungen leben - das trifft auf alle Flüchtlinge im Landkreis zu -, "vorrangig Geldleistungen" zu gewähren ist.

Eine Zusatzklausel im Gesetzestext - "soweit es nach den Umständen erforderlich ist" - macht es jedoch möglich, von diesem Grundsatz abzuweichen. Welche Umstände und Erforderlichkeiten im Landkreis Erding bestünden, wird aus einer Stellungnahme des Landratsamts nicht ersichtlich. Darin heißt es lediglich, das novellierte Gesetz "ermöglicht für Bekleidung Gutscheine auszugeben". Und man habe sich dafür "in dem Bewusstsein entscheiden, damit eine zielgesicherte Verwendungsmöglichkeit zu erhalten." In allen fünf Nachbarlandkreisen - Freising, Ebersberg, München, Landshut und Mühldorf - wird seit dem 1. März, wenn nicht schon länger, den dort lebenden Flüchtlingen das Kleidergeld bar ausgezahlt. Einem erwachsenen Flüchtling stehen derzeit 33,57 Euro pro Monat für Kleidung und Schuhe zu.

Das Landratsamt hat laut eigener Auskunft vor der Erdinger Entscheidung "alle bekannten Bekleidungsgeschäfte im Landkreis angeschrieben". Wie viele Geschäfte das betraf und ob darunter auch Lebensmittel-Discounter, Supermärkte und Second-Hand-Läden waren, wird nicht ausgeführt. Nur so viel: Von mehr als zwei Dritteln der Angeschriebenen habe man die Rückmeldung, "dass diese Gutscheine annehmen werden". Die "restlichen Geschäfte" hätten noch nicht geantwortet, "ein Teil davon jedoch telefonisch ihre Bereitschaft signalisiert". Zudem würden "laufend weitere Geschäfte angefragt". Man werde auch bei den sozialen Kleiderkammern von Wohlfahrtsverbänden anfragen, die man bislang noch nicht eingebunden hatte.

Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) hat die Einführung des neuen Gutscheinsystems mit den Spitzen der Kreistagsfraktionen diskutiert und sich mit ihnen darauf "verständigt", heißt es in einer Pressemitteilung. Die vom grundsätzlichen Gesetzinhalt abweichende Erdinger Regelung wird also auch von den Freien Wählern, SPD, Grünen und ÖDP mitgetragen.

Bayerstorfer begründete seine Haltung am Mittwoch so: Noch mehr Bargeld an Flüchtlinge auszahlen als bislang, "schafft falsche Anreize". Das Grundgesetz gebe "das nicht her", denn die deutsche Verfassung gewähre politischen Verfolgten Asylschutz. Nicht aber Flüchtlinge, die aus wirtschaftlichen Gründe zu uns kämen und einen Teil des an sie gezahlten Geldes "nach Hause schicken". Georg Els, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, sagte, man habe auch aus fürsorglichen Überlegungen das Gutscheinsystem für richtig befunden. Eine zentrale Frage sei gewesen, "was passiert, wen jemand mit dem Umgang des Geldes nicht zurecht kommt?" So seien beispielsweise Afrikaner ein normales Einkaufen in Deutschland nicht gewohnt und stünden im Winter womöglich ohne warme Kleidung da. "Was dann?", so Els. Außerdem sei es bei Bargeldauszahlungen "nicht so leicht nachzuvollziehen, was mit dem Geld gemacht wird". Mit dem Kleidergeld könnte sich ja ein Flüchtling zum Beispiel auch Zigaretten kaufen.

Das Erdinger Gutscheinsystem ersetzt die hier in den vergangenen zwei Jahren praktizierten zentralen Einkleidetage. Zweimal im Jahr mussten sich Flüchtlinge an bestimmten Tagen zu bestimmten Uhrzeiten aus einem in einer Schule ausgebreiteten Billigware-Fundus Kleidung und Schuhe aussuchen. Diese speziellen Erdinger Einkleidetage wurde mit der Begründung eingeführt, dass sich ein erstes Gutscheinsystem im Jahr 2012 nicht bewährt habe.

© SZ vom 16.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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