Flüchtlinge an der Berufsschule:Wachsende Nachfrage

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Die Vorbereitung auf eine Berufsausbildung - zum Beispiel zum Schreiner - steht im zweiten Berufsintegrationsjahr im Vordergrund. (Foto: Peter Bauersachs)

In derzeit neun Klassen werden an der Berufsschule Erding junge Flüchtlinge unterrichtet. Räume und Lehrpersonal sind knapp - und die Situation wird sich so bald nicht entschärfen

Von Antonia Steiger, Erding

In der Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge spielt die Berufsschule Erding eine zentrale Rolle: Knapp 180 junge Menschen - etwa zehn Prozent sind Frauen - werden derzeit an der Berufsschule unterrichtet. Sie lernen Deutsch, sie lernen die Kultur kennen, und sie sollen in die Lage versetzt werden, eine Ausbildung zu beginnen. Berufsschulleiter Dieter Link rechnet damit, dass trotz des Rückgangs der Flüchtlingszahlen der Bedarf weiter wächst. Denn noch längst nicht alle jungen Leute sind an der Schule untergebracht. Den Vorzug genießen die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. Wie die Schule diesen Andrang bewältigt, erläuterte Link am Dienstag beim CSU-Arbeitskreis Schule, Bildung und Sport.

Im September werden es zwölf Klassen sein

Im September 2014 wurde die erste Klasse für junge Flüchtlinge eingerichtet, seitdem werden es immer mehr. Derzeit gibt es neun Klassen, darunter eine Sprachlernklasse und eine Außenklasse im Berufsbildungswerk St. Zeno in Kirchseeon. Für September rechnet die Schule mit zwölf Klassen, darunter erstmals zwei an der BOS Erding. Dass dies die Schule vor große Herausforderungen stellt, wollte Link nicht verheimlichen. Er vermittelte jedoch den Eindruck, dass sich sein Kollegium mit Optimismus, Pragmatismus und Engagement den Problemen stellt: Um der Raumnot Herr zu werden, wird es Wanderklassen geben. Praktikumstage werden so gelegt, dass sich zwei Klassen ein Zimmer teilen. Und auch beim Personal ist Link seinen Worten zufolge offen für neue Lösungswege.

Für den Unterricht in Deutsch als Zweitsprache, auf dem im ersten von zwei Berufsintegrationsjahren der Schwerpunkt liegt, ist jedoch der Kooperationspartner BFZ (Berufliche Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft) verantwortlich. Link stimmte auf Nachfrage zu, dass es hin und wieder Probleme mit der Qualität des Lehrpersonals gebe, da derzeit überall Lehrer für Deutschunterricht gesucht werden. Mit Zusatzqualifikationen böten sich für Quereinsteiger Möglichkeiten, zum Beispiel für Gymnasiallehrer, die keine Anstellung gefunden haben. Doch Johannes Kestler, der den Unterricht für Flüchtlinge koordiniert, stellte klar, dass für diesen Job ein hohes Maß an Engagement nötig sei. "An der Berufsschule Flüchtlinge zu unterrichten, entspricht nicht unbedingt dem Lebensplan eines Gymnasiallehrers", sagte er.

Vieles läuft auch sehr gut.

Bei allen Problemen und Widrigkeiten läuft aber auch vieles sehr gut. Link lobte die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt. In Anwesenheit des Landrats Martin Bayerstorfer (CSU) sprach er aber auch an, dass die Raumkapazitäten möglicherweise bald nicht mehr reichten. Der Arbeitskreisvorsitzende Josef Sterr lobte die Arbeit der Berufsschule. Und einig waren sich alle darin, dass es keine Alternative dazu gebe, die jungen Menschen zu unterstützen. "Es gibt noch größere Probleme, wenn man sich nicht kümmert", sagte Link.

Noch gibt es aber keine unüberwindbaren Schwierigkeiten, wie Link und Kestler versicherten. Im Gegenteil: Die meisten seien sehr willig und motiviert und nicht weniger diszipliniert als ihre deutschen Altersgenossen, wie man dem Kreishandwerksmeister Rudolf Waxenberger versicherte. Zwar kommen Kestler zufolge einige jungen Menschen mit einem anderen Begriff von Zeit an. Doch wer nicht im Unterricht erscheine, müsse nachmittags nacharbeiten. Kestler sagte auch, dass viele Flüchtlinge "extrem traumatisiert" seien. Manche litten unter Depressionen, für einige von ihnen sei die Schule ein "Ort, an dem sie aufblühen".

Weibliches Lehrpersonal hat keine Probleme

Der Sportwissenschaftler Peter Kapustin hörte zu seinem Erstaunen, dass es auch mit den weiblichen Lehrern keine Probleme gebe. Der Umgang sei "von Achtung geprägt", sagte Kestler. Und auch der gemeinsame Sportunterricht von Mädchen und Jungen funktioniert, wie Link klarstellte. "Eine junge Frau legt sogar ihr Tuch für den Sportunterricht an." Selbst Hilfestellung durch männliche Sportlehrer sei möglich. "Wir fragen natürlich vorher", sagte Link.

© SZ vom 14.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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