Finanzen:Kein Bargeld für Flüchtlinge

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Die Geldkarte Kommunalpass beschäftigt sogar den Landtag

"Bargeld ist geprägte Freiheit. Wir sagen Nein zur Abschaffung des Bargelds." So steht es im neuen CSU-Grundsatzprogramm mit dem aufgeräumtem Titel "Die Ordnung". Doch als Landrat Martin Bayerstorfer im Frühjahr das Bargeld für Flüchtlinge im Landkreis Erding abschafft, gibt es "Die Ordnung" ja noch nicht. Das Grundsatzprogramm wird erst beim CSU-Parteitag Anfang November einstimmig beschlossen. So fehlt Bayerstorfer womöglich die leitende Orientierung der ausformulierten christlich-sozialen Leitkultur, als er zum 1. Mai die radikal bargeldlose Flüchtlingsgeldkarte Kommunalpass einführt.

Mit einem Streich hat Bayerstorfer nicht nur die hier lebenden etwa 1400 Flüchtlinge von jeglichem Bargeld abgeschnitten, sondern auch Hunderte ehrenamtlicher Helfer - bildlich gesprochen - kraftvoll vors Schienbein getreten. Diese sind gleichermaßen entsetzt über die Karte wie über den deutlich zum Ausdruck gebrachten Unwillen des Landrats, die Helfergruppen einzubinden oder wenigstens auch nur vorab zu informieren.

Das Konzept des bargeldlosen Kommunalpasses ist allerdings so abwegig, dass Bayerstorfer schnell wieder zurückrudern musste. Nach zwei Monaten ohne Cash - zwischendurch gibt es nach mehrstündigem Anstehen für jeden Flüchtling einmal 50 Euro auf die Hand - gibt es dann wieder Bares. Allerdings besteht Bayerstorfer aus nie genannten Gründen darauf, dass nur ein Anteil von 43 Prozent bar abhebbar sein soll.

Alle Nicht-CSU-Fraktionen im Kreistag fordern noch im Mai in einem gemeinsamen Antrag, den Kommunalpass abzuschaffen. Der Landrat lässt die Kreisräte eine halbes Jahr später wissen, sie gehe das alles gar nichts an, weil er in diesem Punkt als Vertreter des Staats entscheiden dürfe, wie er wolle. Im Sozialausschuss des bayerischen Landtags wird jedoch noch über eine von mehr als 3000 Menschen unterstützte Petition beraten, die ebenfalls die Abschaffung der Geldkarte fordert.

Bayerstorfer kratzen der Protest und alle vernünftigen Argumente nicht, aber die schlechte Presse wurmt ihn. Doch er hat neue Mittel und Wege entwickelt, um die Dinge so zurechtzurücken, wie er sie sehen möchte: zum Beispiel mit positiv verfasten Texten in der "Landkreiszeitung", einem Behördenblatt, mit Bayerstorfer als Herausgeber sozusagen. Die vermeintlichen Zeitungsartikel und angeblichen Interviews werden in seiner Pressestelle verfasst. Da liest man dann, der Kommunalpass sei kein Irrweg, sondern ein herausragender "Meilenstein".

© SZ vom 27.12.2016 / flo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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