Fahrradfahren in Dorfen:"Es gibt dringendere Probleme"

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Ein Anfang ist gemacht: Am Dorfener Bahnhof wurde schon vor Jahren die Anlage für Radständer erweitert. (Foto: Daller)

Die Stadt Dorfen setzt bei Verkehrsproblemen auf Lösungen für den motorisierten Verkehr. Auch ein Radwegekonzept könnte zur Entlastung beitragen. Die Voraussetzungen sind gut, werden aber kaum genutzt

Von Thomas Daller, Dorfen

Mobilität ist in Dorfen auf das Auto zugeschnitten. Obwohl die Stadt durch ihre kleinteilige Wegestruktur gute Voraussetzungen hätte, den Fuß- und Radverkehr zu fördern, ist dieses Thema seit langem ein politisches Stiefkind. Die Sichtweise auf die Verkehrsarten ist in Dorfen von Konkurrenzdenken geprägt. Erst kürzlich erörterte man bei einem politischen Stammtisch der CSU, ob die Stadt ein Parkdeck benötigt, weil man sich im Zuge des Rathausneubaus keine Tiefgarage leisten kann. Dass mehr Stellplätze notwendig sind, steht für den CSU-Ortsvorsitzenden und Bürgermeister Heinz Grundner außer Frage.

Ein Buch mit dem Fahrrad transportieren - das geht!

Darüber wurde schließlich auch diskutiert. Aber geradezu reflexartig wurden in diesem Zusammenhang andere Verkehrsteilnehmer diffamiert: Das Bestreben mancher Stadträte, sagte Grundner, aus Dorfen "eine Fußgänger und Radfahrer-Stadt zu machen", könne nicht im Interesse des Einzelhandels sein. Dass man sowohl ein Parkdeck bauen als auch den Fuß- und Radwegeverkehr in Dorfen fördern kann, kam in dieser Argumentation gar nicht vor. Und dass es dem Einzelhandel völlig wurscht ist, ob man die in den gut sortierten Dorfener Fachgeschäften erworbenen Pfannen, Werkzeuge oder Bücher nun mit dem Auto oder dem Fahrrad nach Hause transportiert, erst recht nicht.

Dabei könnte der Fahrradverkehr Dorfen deutlich entlasten, ohne dass man groß in teure Infrastruktur investieren müsste. Viele alteingesessene Dorfener erkennt man daran, dass sie in der Stadt mit dem Radl unterwegs sind. Wenn man die vielen kleinen Wege und Gassen kennt, ist man in Dorfen nämlich mit dem Fahrrad viel schneller am Ziel; von der Parkplatzsuche gar nicht zu reden. Allerdings müsste an einigen Stellen noch nachgebessert werden und es fehlt eine ordentliche Radwegbeschilderung. Lediglich ein paar vereinzelte Radwegbeschilderungen gibt es auf die themenbezogenen Touren des Tourismusverbandes wie die Schlössertour, die durch Dorfener Flur verläuft.

Ortsfremde Radfahrer fragen nach

So kann es einem im Dorfener Stadtgebiet immer wieder passieren, dass sich ortsfremde Radfahrer nach dem überregional bekannten Vilstalradweg erkundigen. Dieser Radweg gilt als "einer der schönsten Bahntrassen-Radwege Bayerns", empfiehlt beispielsweise "Bayernbike" im Internet: "Natur pur", "herrliche Ausblicke". Aber es gibt weder am Bahnhof, wo viele Radler mit dem Zug ankommen, noch in der Innenstadt einen Wegweiser. Von innerstädtischen Radachsen ganz zu schweigen.

Erst vor einem Jahr, im Oktober 2015, ist in Dorfen ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept (ISEK) vorgestellt worden, an dem Experten für Stadtplanung, Handel und Gewerbe sowie Verkehr beteiligt waren. Auch in diesem Kontext hieß es, Radfahren und Zufußgehen auf den schönen Wegen durch Dorfen seien als "bevorzugte Fortbewegungsarten" zu fördern. Eigentlich ist das ein alter Hut. Die ehemalige Stadträtin Hanna Ermann von den Grünen, die in Dorfen Grün-Alternative-Liste (GAL) heißen, hat bereits in den 1990er Jahren ein Radwegekonzept ausgearbeitet und es 2013 noch mal überarbeitet im Klimabeirat der Stadt präsentiert.

Prinzipiell sind diese Radachsen bereits vorhanden, wenn auch die eine oder Lücke noch geschlossen werden müsste oder man manche Abschnitte noch verbessern könnte, sagte Ermann: "Im Prinzip ist Dorfen gar nicht so schlecht, man kommt mit dem Fahrrad überall hin." Aber wenn man eine ordnungsgemäße Ausschilderung machen möchte, dann müsste nachgebessert werden. Ermann liegt es fern, der Stadtverwaltung den Schwarzen Peter zuzuschieben: "Die sind halt überlastet." Außerdem sieht sie in erster Linie das Positive: "Die Fahrrad-Abstellanlage am Bahnhof ist eine tolle Maßnahme. Das ist ein Beispiel, wie das Angebot die Nachfrage beeinflusst."

Aber diese ganzen Wegebeziehungen und Gassen, die Ermann nutzt, beruhen auf Insiderwissen; die vielen neu zugezogenen Bürger in Dorfen benötigen meist Jahre, bis sie dieses Netz durchblicken. Und bis dahin nutzen sie für jede Fahrt in die Stadt das Auto und sorgen damit für zusätzlichen Verkehr. So wird beispielsweise in Dorfen schon seit Jahren über die hohe Verkehrsbelastung auf der B 15 geschimpft. Man hat bereits Gutachten dazu erstellen lassen, um damit für den Bau einer Umfahrung argumentieren zu können. Allerdings hat sich bei den Verkehrszählungen herausgestellt, dass nur etwa ein Drittel überörtlicher Verkehrsanteil dabei ist.

Die samstägliche Blechlawine

Es sind überwiegend Autofahrer aus Dorfen und der näheren Umgebung, die die Verkehrsprobleme der Stadt verursachen. Die Blechlawine am Samstag Vormittag, wenn alle Dorfener mit dem Auto die Wochenendeinkäufe für die Familie erledigen, lässt sich zwar nicht durch einen Umstieg aufs Fahrrads vermeiden, weil das auch nicht sinnvoll wäre. Die vielen kleinen Besorgungsfahrten jedoch, bei denen die Parkplatzsuche schon einen Teil der wertvollen Fahrtzeit beansprucht, hätten aber sehr wohl Radl-Potenzial.

In der Nachbargemeinde Taufkirchen hat man das erkannt und seit September dieses Jahres umgesetzt. Taufkirchen ist mit seinen knapp 10 000 Einwohnern und zwei Bundesstraßen, die durch das Zentrum führen, in einer vergleichbaren Situation wie Dorfen mit knapp 15 000 Einwohnern und einer Bundesstraße durch die Stadt. In beiden Kommunen weichen die Radfahrer auf Nebenstrecken aus, weil es auf den Bundesstraßen zu gefährlich ist. Die Gemeinde Taufkirchen hat sich für eine schlanke Lösung entschieden: Anstatt ein teures Fachbüro zu beauftragen, hat man sich vom Kreisverband des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs beraten lassen, was kostenlos ist.

In Taufkirchen hat sich der ADFC eingebracht

Der ADFC hat die besten Streckenführungen untersucht, mehrmals abgefahren und den Radverkehr darauf gebündelt. Darüber hinaus wurden die Standorte für die Beschilderung ermittelt und Anknüpfungen zu den überörtlichen Radwegen nach Velden, Dorfen, Landshut und Erding. Zentraler Punkt ist ein kleiner Schilderturm bei der Grundschule, der in alle Richtungen weist. Insgesamt wurden 117 Schilder und 15 Pfosten verbaut, davon 61 kleine Zwischenwegweiser und 56 Tabellenwegweiser mit Richtungsbeschriftung. Die Anschaffungskosten und Bauhofleistungen betrugen zusammen 9133 Euro. Für das Geld kann man in einer Innenstadt gerade mal zwei gepflasterte Kfz-Stellplätze anlegen.

Für den Dorfener Bürgermeister Heinz Grundner haben jedoch vor allem Stellplätze in der Stadt Priorität. Er führt beispielsweise den Wasentegernbacher an, der mit dem Auto in die Stadt fährt und dort keinen freien Stellplatz vorfinden könnte. Ein Beschilderungskonzept sei im Rahmen des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes "angedacht", aber ISEK umfasse "25 Baustellen", die nicht gleichzeitig aufgegriffen werden könnten. Einer schlanken Lösung mit dem ADFC erteilt er zwar keine direkte Absage, grenzt sie aber schon durch die Wortwahl aus: Ob man das "mit den Laien vom ADFC oder einem qualifizierten Fachbüro" mache, könne er noch nicht sagen: "Es gibt dringendere Probleme in der Verwaltung. Wir müssen die Kirche schon im Dorf lassen." Der Fuß- und Radwegeverkehr in Dorfen wird also auf absehbare Zeit in einer verfahrenen Situation bleiben.

© SZ vom 22.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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