Erfahrungsaustausch:Internationaler als gedacht

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In Taufkirchen findet auch in der Schule Integration statt. Der Helferkreis, der sich um die Flüchtlinge in der Gemeinde kümmert, warnt aber, dass die Mitglieder mit ihrer Kraft an ihr Ende kommen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bei einer Diskussionsrunde in Taufkirchen haben Vertreter aus der Politik, der Gesellschaft und der Wirtschaft über Integration gesprochen - mit manch interessanten Aspekten

Von Philipp Schmitt, Taufkirchen

Wie kann Integration gelingen? Mit dieser Frage haben sich am Mittwochabend im gut besuchten Bürgersaal in Taufkirchen die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion - unter ihnen der ehemalige Integrationsbeauftragte der Staatsregierung Martin Neumeyer (CSU) - beschäftigt. "Es wird ein schwieriger Prozess und es wird nicht in jedem Fall klappen, aber wir schaffen das auch", sagte Neumeyer, der inzwischen Landrat von Kelheim ist.

Zu Gast waren auch Vertreter der örtlichen Wirtschaft und der Lokalpolitik, die über ihre jeweiligen Erfahrungen bei der Integration gesprochen haben. Der Taufkirchener Bürgermeister und Bezirksrat Franz Hofstetter (CSU) sagte zum Beispiel: "Wir nehmen in Taufkirchen die Herausforderung an. Wir haben seit Jahren Flüchtlinge in der Gemeinde, viele positive Erfahrungen gemacht aber vereinzelt auch weniger schöne Erlebnisse gehabt." Hofstetter sagte, dass die Gemeinde zum Beispiel mit der Teilnahme beim Bundesprojekt "Willkommen bei Freunden" versuche, den in Taufkirchen lebenden 250 Flüchtlingen bei der Integration zu helfen; Kinder seien in Kindergärten und Schulen, Jugendliche in Vorbereitungsklassen der Berufsschule, einige Flüchtlinge haben einen Job gefunden.

Taufkirchen hat prozentual gesehen im Vergleich mit den anderen Städten und Gemeinden im Landkreis mit die meisten der insgesamt 1400 Geflüchteten aufgenommen. Außergewöhnlich ist das nicht: Seit Jahrzehnten kommen vor allem auch wegen der Polsterfabrik Himolla viele Menschen etwa aus Griechenland, der Türkei, Rumänien oder Polen hierher, werden heimisch und sind gut integriert. Himolla-Geschäftsführer Thomas Friedrich zufolge hätten diese Menschen mit ihrer Arbeit erheblich zum Erfolg der Firma beigetragen. "Heute brauchen wir aber im Gegensatz zu früher keine Hilfsarbeiter für einfache Tätigkeiten mehr, sondern gut ausgebildete Fachkräfte." Seit Januar bereite die Firma zwei aus Eritrea stammende Flüchtlinge intensiv auf eine Ausbildung zum Polsterer vor. Friedrich forderte Integration begleitende Maßnahmen wie den Bau von Wohnungen und mehr Maßnahmen und Hilfe für Firmen. Allerdings müssten die Flüchtlinge selbst auch den Willen zur Integration zeigen - was bei einigen Bewerbern nicht der Fall gewesen sei.

Thomas Reger vom Taufkirchener Integrationskreis sagte, dass die Helfer wegen der vielen Arbeit "am Limit" angekommen seien und dringend Verstärkung für die Integrationsarbeit bräuchten. Er rechnet damit, dass nach Abschluss der Asylverfahren etwa 100 der 250 Flüchtlinge in Taufkirchen bleiben und dauerhaft integriert werden können. Unverständlich sei für die Helfer, wenn bereits gut integrierte Menschen mit Perspektive, nur weil sie aus als sicher eingestuften Herkunftsländern stammen, nach jahrelangen Verfahren das Land verlassen müssten, obwohl sie einen Job gefunden haben. Reger forderte verantwortliche Politiker auf, für "bessere Stimmung" beim Thema Integration zu sorgen.

Schließlich berichtete auch der Chefarzt der Isar-Amper-Klinik, Ralf Marquard, über seine Erfahrungen. Von Kenianern zum Beispiel, die sich gut in der Klinik eingearbeitet hätten, dann aber das Land Richtung USA verlassen mussten: "So etwas können wir uns künftig nicht mehr leisten", sagte er. Der Chefarzt berichtete, dass in der Klinik vor allem gut ausgebildete Pfleger fehlen, aber das Bildungsniveau der Flüchtlinge oft nicht für die Ausbildung ausreichend sei. Einige Flüchtlinge (etwa drei Prozent der 400 Patienten) werden psychiatrisch in der Klinik behandelt. Das Team mit 700 Mitarbeitern sei international und weltoffen, etwa die Hälfte der Ärzte habe ausländische Wurzeln; bei den Pflegern seien es etwa fünf Prozent. Die Mitarbeiter würden sich in Taufkirchen wohl fühlen und die Klinik sei offen für weitere geeignete Mitarbeiter mit Migrationshintergrund, sagte Marquard. Neumeyer lobte das Engagement der Mitarbeiter der Helferkreise, ohne deren ehrenamtliches Engagement 2015 die Herausforderungen nicht zu bewältigen gewesen sei. Franz Hofstetters Fazit war positiv: "Wir dürfen nicht den Kopf hängen lassen und jammern, die Schilderungen stimmen positiv." Und die Stadträtin Sosa Balderanou-Menexes, die selbst griechische Wurzeln hat und den Abend mit organisierte, sagte, dass sowohl ehrenamtliche Hilfe als auch Integrationswillen zwar nicht erzwungen werden können - mit viel Geduld aber möglich sei.

© SZ vom 13.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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