Erding:Kinderkrippen entfalten Sogwirkung

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Tagesmütter spüren bereits den Ausbau der konkurrierenden Einrichtungen: Die Anmeldungen gehen so rapide zurück, dass manche um ihre Existenz bangen

Von Simone Bernard

Kinderkrippen haben großen Zulauf, hier die AWO Kinderkrippe Zum Regenbogen.  Tagesmütter bangen dagegen um ihre Existenz (Foto: Peter Bauersachs)

Der Krippenausbau im Landkreis läuft so gut, dass Tagesmütter mittlerweile ein drängendes Problem haben. Die Nachfrage nach privater Kinderbetreuung hat rapide nachgelassen. Zahlen aus dem Landratsamt zeigen das sehr deutlich: Am 1. Januar wurden noch 196 Kinder von Tagesmüttern betreut, am 1. März waren es nur noch 101 Kinder.

Vom 1. August an haben Eltern einen gesetzlichen Anspruch auf einen Betreuungsplatz für ihre ein- bis dreijährigen Kinder. Die meisten Kommunen haben deshalb in den Krippenbau investiert. So werden in der Stadt Erding von September an 215 Krippenplätze zur Verfügung stehen. "Das berühmte Drittel, das die Bundesregierung vorgegeben hat, haben wir damit erreicht", sagt Alois Gabauer, der in der Stadtverwaltung für Kindertagesstätten zuständig ist. In Erding gibt es aktuell etwa 600 Kinder zwischen einem und drei Jahren. Offenbar reicht die Drittel-Quote. Die meisten Eltern ziehen eine Betreuung ihrer Kinder in einer Krippe der bei einer Tagesmutter vor. Diese berichten von einem spürbaren Rückgang an Anmeldungen.

Viola Kirmse ist geradezu verzweifelt. Die Leiterin der privaten Großtagespflege "Violas Sonnenkäfer" in Erding sieht ihre Existenz bedroht. Erst im Juli 2012 hat sie ihre Einrichtung gegründet. Sie hatte sogar eine Kooperation mit dem Kreiskrankenhaus und wollte bevorzugt Kinder von Klinikmitarbeitern betreuen. Doch die Nachfrage war geringer als erwartet.

Bis Juli betreut Kirmse mit einer Angestellten noch acht Kinder, von September an werden es nur noch drei sein. Falls nicht bald neue Kinder bei ihr angemeldet würden, müsse sie schließen. Diese Entwicklung sei so nicht abzusehen gewesen, sagt Kirmse. In der letzten Zeit habe sie eine Kündigung nach der anderen von Eltern erhalten: "Anscheinend wird ihnen nahegelegt, ihr Kind in eine Krippe zu geben, weil sie sonst später keinen Kindergartenplatz in der gleichen Einrichtung erhalten."

Gabauer glaubt das hingegen nicht: "Es ist nicht so, dass man nicht in den Kindergarten kommt, wenn man nicht in der Krippengruppe war." In kombinierten Einrichtungen mit Kindergarten und Krippe würden ja im Normalfall mehr Kindergartenplätze frei als Krippenkinder nachrückten. Eltern hätten deshalb sehr wohl die freie Wohl bei der Entscheidung, ihr Kind in einer Krippe oder bei einer Tagesmutter anzumelden.

Doch Kirmse steht mit ihrem Problem nicht allein da. Auch die Erdinger Tagesmutter Barbara Starck sagt, dass ihr die Krippen die Kinder abzögen. Seit 17 Jahren betreut die gelernte Erzieherin "Die Semptwichtel". Sie spüre die Auswirkungen auf ihr Angebot seit dem Bau der ersten Krippe. Und die Lage habe sich für sie verschärft: "Der Kleinkindermarkt ist leergefegt." Zur Zeit hat sie für sieben Kinder Betreuungsverträge abgeschlossen. Allerdings habe sie nur noch Anmeldungen für Babys, bei denen sie immer Angst haben müsse, dass sie ab September in eine Krippe gegeben würden.

Es gibt zwei offensichtliche Hauptgründe, warum sich Eltern immer mehr dafür entscheiden, ihr Kind in einer Krippe unterzubringen, statt bei einer Tagesmutter. Viele Kindergärten sind mit Krippengruppen zu Kindertagesstätten erweitert worden. Wenn ein Kind in einer Kita erst die Krippe besucht, kann es als Kindergartenkind bis zu seiner Einschulung in derselben Umgebung bleiben. Ein entscheidender Unterschied zwischen Krippe und privater Tagesmutter bestand bislang zudem in finanzieller Hinsicht: Krippenplätze kosteten die Eltern deutlich weniger.

Der Jugendhilfeausschuss des Kreistags hat vor einem Monat den Zuschuss für die Tagesmutterbetreuung erhöht. Ganz offensichtlich hat man im Landratsamt erkannt, dass nur so das seit Jahren geförderte Angebot von Tagesmütter erhalten werden kann. Ein von vielen Eltern geschätzter Vorteil der Tagespflege sei "der familienähnliche Betreuungscharakter der Tagespflege in Abgrenzung zur institutionellen Kinderbetreuung", sagt die Pressesprecherin des Landratsamtes Christina Centner. Zudem böten Tagesmütter flexiblere Betreuungszeiten an. Im vergangenen Jahr sind vom Zentrum der Familie Erding noch 20 Frauen zu Tagesmüttern ausgebildet worden.

© SZ vom 25.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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