Erding:Betrug im großen Stil

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Illegales Geschacher um Aufträge, abgesprochene Preise: Jahrelang haben Hersteller von Feuerwehrfahrzeugen Kommunen im Landkreis Erding geprellt. Nun müssen sie Schadenersatz zahlen - und werden künftig überwacht

Von Florian Tempel

Vier Feuerwehrfahrzeuge für 2,1 Millionen Euro hat die Stadt Erding zwischen 2003 und 2009 bei einem der Kartell-Firmen gekauft. (Foto: Peter Bauersachs)

Jahrelang haben vier Hersteller von Feuerwehrfahrzeugen Städte und Gemeinden in ganz Deutschland betrogen, indem sie illegal ihre Preise abgesprochen und sich die Aufträge der Kommunen untereinander aufgeteilt haben. Auch die Stadt Erding und andere Gemeinden im Landkreis waren betroffen. Nun leisten drei der vier Kartellmitglieder - die Unternehmen Iveco Magirus, Rosenbauer und Schlingmann - Schadenersatz. Der vierte im Bunde des Feuerwehrfahrzeug-Kartells, die Firma Albert Ziegler, zahlt wegen Insolvenz nicht in den Entschädigungsfonds ein. In den Wiedergutmachungstopf kommen 6,7 Millionen Euro.

Das hört sich nach viel an, ist es jedoch nur bedingt: Die betroffenen Kommunen werden pro überteuert erworbenem Feuerwehrauto kaum mehr als 2000 Euro zurückerhalten. Im Erdinger Rathaus weiß man noch nicht, wie viel die Stadt nun tatsächlich erhalten wird. An der grundlegenden Einschätzung des Kartellbetrugs hat sich jedoch nichts geändert. Für Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) ist der Vorfall fraglos eines: "Eine Riesensauerei."

Die kommunalen Spitzenverbände, die die Entschädigungsvereinbarung mit den Herstellern geschlossen haben, sind dennoch zufrieden mit dem Ergebnis. Der Präsident des Bayerischen Gemeindetags, Uwe Brandl, sagte, "ein einvernehmlicher Schadensausgleich ist allemal besser als jahrelange gerichtliche Streitigkeiten mit ungewissen Ausgang". Die Stadt Erding stand seit zwei Jahren bereit, als Musterkläger vor Gericht zu ziehen, was sie sich nun sparen kann.

Brandl beklagte nur, dass der Bund sich weigert, den Kommunen die bereits vor zwei Jahren bei den Kartellfirmen abkassierten 20,5 Millionen Euro Bußgelder an die Städte und Gemeinden auszuzahlen: "Das wäre nur recht und billig. Durch die Preisabsprachen ist ja nicht der Bund geschädigt worden." Abgesehen von dem nun ausgehandelten, finanziellen Schadensausgleich, bewertet Brandl das Vorgehen der Spitzenverbände als Erfolg. Es sei ein "klares Signal", dass "Städte und Gemeinden, die das Geld der Bürgerinnen und Bürger verwalten" es sich nicht bieten ließen, "übers Ohr gehauen zu werden".

Der Deutsche Landkreistag weist in einer Pressemitteilung darauf hin, dass es "ergänzend zur außergerichtlichen Schadensregulierung (...) eine permanente Überprüfung der Eignung und Zuverlässigkeit der Löschfahrzeuganbieter" geben werde. Ein neutrales Unternehmen wird in Zukunft die "personell-organisatorischen Strukturen sowie ein regelkonformes Verhalten" überwachen. So wolle man verhindern, "dass es in Zukunft zu erneutem kartellrechtswidrigem Verhalten zwischen den Unternehmen zulasten der Kommunen" komme.

Barbara Gradl, Leiterin des Referats Zivilrecht und Vergabewesen beim Bayerischen Gemeindetag, hatte der SZ vor zwei Jahren gesagt, dass drei der überführten Kartellfirmen bereits in den Jahren 1993 und 1994 für frühere Absprachen Bußgelder zahlen mussten. Nur wenige Jahre später trafen sie sich wieder, um den Markt erneut unter sich aufzuteilen.

Die Geschäftsführer der Kartellfirmen, die 90 Prozent des Marktes für Feuerwehrfahrzeuge beherrschten, kamen spätestens von 2001 an regelmäßig in einem Hotel am Flughafen Zürich zusammen. 19 solcher informeller Treffen hat das Bundeskartellamt festgestellt, das nach einer anonymen Anzeige und einer strafbefreienden Selbstanzeige eines fünften Unternehmens von 2009 bis Anfang 2011 ermittelte.

Top-Vertreter des Kartells tauschten sich bei ihren Treffen über die Marktlage aus und ließen ihre Auftragseingänge von einem Schweizer Wirtschaftsprüfer in Listen abgleichen, auf deren Basis die Einhaltung der vereinbarten Quoten für jedes Kartellmitglied überprüft wurde. Auch koordinierten die Unternehmen Erhöhungen ihrer Angebotspreise. Neben der Zürich-Runde der Geschäftsführer kamen regelmäßig die Vertriebsleiter zusammen. Bei diesen Treffen wurden die Ausschreibungen von Feuerwehrfahrzeugen durch Kommunen untereinander aufgeteilt.

© SZ vom 23.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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