Ein Ort verschwindet:Flughafen reißt Gebäude ab

Lesezeit: 2 min

In Schwaigermoos stehen Häuser auf dem Gelände, auf dem die dritte Startbahn gebaut werden soll. Sie müssen jetzt weichen, weil sie einsturzgefährdet sind - so die offizielle Begründung

Von Regina Bluhme, Schwaigermoos

Zufrieden betrachtet Hedwig Roßgoderer ihr Werk. Aus den Buchsbäumen vor ihrem gepflegten Einfamilienhaus hat sie mit der Gartenschere kleine Kunstwerke geformt. Nachbarn, die ihre Figuren ansehen könnten, gibt es nicht mehr. Die 74-Jährige ist eine der letzten Anwohner von Schwaigermoos. Hier soll einmal die geplante dritte Startbahn verlaufen. Die Flughafen München GmbH (FMG) hat kürzlich angekündigt, einige der verlassenen maroden Ställe und Nebengebäude abzureißen. Eine reine Sicherheitsmaßnahme, wie die Pressestelle der FMG betont.

Schwaigermoos liegt schon seit Jahren in einer Art Dornröschenschlaf. Die meisten Anwesen wurden inzwischen von der FMG gekauft und mit hohen Bauzäunen umgeben. Dahinter dämmern die Gebäude vor sich hin. Vor große Scheunen mit abgesplitterten Holzfassaden liegen verrostete Geräte. An Wohnhäusern mit heruntergelassenen Jalousien und bröckelnder Fassade rankt sich jede Menge Grün hinauf. In den Gärten wuchern Sträucher und Unkraut. Ställe und Silo stehen verlassen da. Einige Fensterscheiben sind zerborsten oder mit Spinnweben verhangen.

Auf zehn Anwesen will die FMG nun einen Abbruch vornehmen. "Betroffen sind nur einsturzgefährdete landwirtschaftliche Nebengebäude und Ställe", erklärt FMG-Pressesprecher Edgar Engert. Man könne nicht ausschließen, dass trotz Bauzauns Personen auf das Gelände gelangten. "Bevor was passiert, reißen wir die Gebäude lieber ab." Wie Engert betont, handelt es sich dabei um eine Sicherheitsmaßnahme. "Aus Verkehrssicherungspflicht muss die FMG dafür sorgen, dass es zu keinen Personenschäden kommt."

Im Herbst oder im kommenden Frühjahr soll mit dem Abriss begonnen werden, so Engert. "Die Nachbargemeinden wissen bereits Bescheid." Es sei im Übrigen nicht das erste Mal, dass ein marodes Gebäude in Schwaigermoos abgerissen werde. Engert: "Das ist auch in der Vergangenheit schon vorgekommen, wenn Gefahr für Leib und Leben bestanden hat." Es habe aber auch schon den Fall gegeben, dass die FMG Objekte abgesichert und instandgesetzt habe.

Wann und ob die dritte Startbahn nun gebaut wird, steht bislang nicht fest. Am Mittwoch hat der Bundesverwaltungsgericht zwar grünes Licht gegeben, doch da gibt es noch den Münchner Bürgerentscheid gegen den Bau. Hedwig Roßgoderer weiß eines: So lange es geht, will sie in Schwaigermoos bleiben. "Ich bin einer der letzten Mohikaner", sagt sie lächelnd und schnippelt noch ein wenig an der Bärenfigur aus Buchsbaum herum. Seit 53 Jahren wohne sie nun schon hier, "da will ich nicht wegziehen". Auch nicht, wenn die Bahn künftig keine 100 Meter hinter ihrem Haus verläuft? "Ich warte erst mal ab, wie stark der Lärm dann ist", erklärt die 74-Jährige.

Ein paar Meter die Birkenstraße hinunter ist ein weiteres Haus mit großem Garten bewohnt. Hier lebt der 88-jährige Johann Knauer mit seiner Frau. "Ich möchte hier nicht weg. Ich bin hier geboren, zur Schule gegangen, hier gehe ich in die Kirche", betont der ehemalige Landwirt. Seine Frau Maria, mit der er erst diamantene Hochzeit gefeiert hat, kommt mit einer Gießkanne heran. "Ich will hierbleiben", sagt auch sie. "Jetzt müssen wir erst mal abwarten", fügt Johann Knauer hinzu. Er zeigt auf das Feld hinter seinem Haus. "Wenn da in 80 Metern Entfernung die Bahn verläuft, dann können wir nicht mehr bleiben", sagt er. "Aber wo kriege ich dann wieder so einen schönen Garten?"

Ähnliche Sorgen treiben auch Reinhard Gube um. Ganz alleine bewirtschaftet er an der ausgestorbenen Süßbachstraße einen Hof mit 50 Schweinen. 1966 hat er hier gebaut. Sorgen macht er sich, wo und wie er nach einem Wegzug überhaupt wieder Schweine halten kann. Außerdem sind da noch seine 50 Hühner. "Guten Appetit! Eier von freilaufenden Hühnern" steht an seiner Einfahrt. Man sieht die Tiere von der Straße aus laut gackernd über die Wiese rennen. Noch rührt sich was in Schwaigermoos.

© SZ vom 17.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: