Dorfen:Mehr gewagt

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Leonhard F. Seidl gelang 2012 der Durchbruch als Autor. (Foto: Peter Bauersachs)

Der in Isen aufgewachsene Leonhard F. Seidl war mal Krankenpfleger, jetzt ist er ein erfolgreicher Buchautor. Seine alte Heimat spielt immer wieder eine Rolle in seinen Büchern

Von Florian Tempel, Dorfen

Leonhard F. Seidl ist ein viel beschäftigter Mann. Das ist per se nichts Außergewöhnliches; viele Menschen haben viel zu tun. Doch der 39-jährige Seidl hat einen künstlerischen Beruf, er ist Autor. Und es hat durchaus Seltenheitswert, dass einer sich und seine Familie mit literarischer Arbeit ernähren kann.

Vor drei Jahren gelang dem in Isen aufgewachsenen und im selbstverwalteten Dorfener Jugendzentrum sozialisierten Seidl mit seinem Debüt-Roman "Mutterkorn" der Durchbruch. Das Buch war ein Volltreffer. Als es erschien, war eben erst die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) öffentlich bekannt geworden. Seidl hatte in "Mutterkorn" die krude Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit Neonazi-V-Leute bereits thematisiert. Ein weiterer Erzählstrang galt der Bewältigung von Drogensucht. Alles in allem ein schnell, spannend und glaubhaft geschriebenes Buch. Von einem Bestseller blieben die Verkaufszahlen zwar weit entfernt. Dennoch "hat mir 'Mutterkorn' ermöglicht als Autor zu leben", sagt Seidl. Wobei er nun "einen Traum lebe, den ich nie geträumt habe."

Nach der Mittleren Reife an der Realschule in Erding hatte Seidl eine Ausbildung zum Krankenpfleger absolviert und in diesem Beruf gearbeitet. Später studierte er Soziale Arbeit. Schreiben war schon damals seine Leidenschaft, aber kein Berufsziel. Am Ende seines Sozialarbeiter-Studiums ging er in die Jugendvollzugsanstalt Ebrach, wo er sechs Monate lang mit jugendlichen Strafgefangenen in einer Schreibwerkstatt zusammenarbeitete und daraus und darüber ein preisgekrönte Diplomarbeit verfasste. Seine eigene literarischen Arbeiten, Kurzgeschichten und Satiren, brachten ihm zwischen 2004 und 2007 mehrere Auszeichnungen und ein Stipendium. Mit seinem Roman-Erstling "Mutterkorn" aber begann ein neuer Lebensabschnitt.

Seidl tourt seitdem von einer Lesung zur nächsten durch ganz Deutschland. Er wurde an Schulen eingeladen, wo "Mutterkorn" zur Schullektüre wurde. Er gibt Seminare in kreativen Schreiben für Jugendliche, Studenten oder Menschen mit psychischen Erkrankungen. Er wurde zum Paten für das Projekt "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" am Laurentius Gymnasium Neuendettelsau und der Josef-Mayr-Nusser-Fachakademie in Erlangen. Und er arbeitete an der bundesweit gezeigten Wanderausstellung "Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen" mit.

Mit seinem zweiten, 2014 erschienenen Buch "Genagelt", kehrte Seidl, der seit vielen Jahren in Nürnberg lebt, thematisch in seine Heimat zurück, ins Isental. In gewisser Weise ist "Genagelt" zwar auch einer der so beliebten Heimatkrimis. Allerdings hat Seidl erheblich mehr gewagt, als nur einen unterhaltsamen Krimi-Plot in oberbayerischer Landschaft. Er packte reale Politik und Gesellschaftskritik in sein Buch und nannte lokale Politiker beim Namen - was dafür gesorgt haben dürfte, dass man ihn zu den vom Landratsamt mitveranstalteten Erdinger Kriminächten wohl so schnell nicht einladen wird.

Noch weniger, wenn im Oktober sein nächster Roman "Viecher" erscheint, der ebenfalls im Landkreis spielt. Es wird um Golfplatzprojekte, die dritte Startbahn im Erdinger Moos und amtsbekannte Großbauern gehen, die sich einen Acker nach dem anderen kaufen. Wie in "Genagelt" wird wieder der Privatdetektiv Freddie Deichsler in einem kruden Fall ermitteln und wie nebenbei Verstrickungen im "Kampf ums Land" aufdecken. Am 16. Oktober wird Seidl in Taufkirchen die Welt-Urlesung aus seinem neuen Roman geben.

Schon an diesem Samstag kann man ihn live in Aktion im Schloss Burgrain erleben. Um 20.15 Uhr liest Seidl dann aus seinem vor wenigen Wochen erschienenen Band "Wer mordet schon in Oberbayern?", ein "krimineller Freizeitführer", der Kurzkrimis mit Ausflugstipps verbindet. Im Isener Fall ermitteln Privatdetektiv Django Kugler und seine Oma, wer den heiligen Zeno aus der Isener Kirche gestohlen hat. Mit bei der Lesung - die bei Seidl immer mehr ist als nur ein Vorlesen, sondern eine witzige und interaktive Kabarettveranstaltung - ist auch der Isener Pfarrer Josef Kriechbaumer, der den Part des Isener Pfarrers vortragen wird.

Leonhard F. Seidl: "Mutterkorn", 163 Seiten, Verlag Kulturmaschinen 14,90 Euro; "Genagelt", 304 S., Emmons, 10,90 Euro; "Wer mordet schon in Oberbayern?", 288 S., Gmeiner, 10,99 Euro; "Django ermittelt in Bayern: 30 Rätsel-Krimis", 192 S., Gmeiner, 9,99 Euro; "Viecher", 256 S., erscheint bei Emmons am 15. Oktober für 9,90 Euro.

© SZ vom 23.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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