Gerhard Polt:"Ruhm ist vergänglich"

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Gerhard Polt kennt Pic seit 1988 und fragt sich, warum so viele ihn scheinbar vergessen haben. (Foto: Stephan Rumpf)

Der einst weltberühmte Clown Pic tritt im Dorfener Jakobmayer auf, doch der Vorverkauf läuft zäh. Gerhard Polt kennt ihn gut - und fragt sich, warum sich die Gunst des Publikums so schnell ändert.

Von Florian Tempel, Dorfen

Der Schweizer Pic ist einer der berühmtesten Pantomimen und Clowns. 1978 wurde er mit seinem Theaterabend "Le grand Gogo" zu den Berliner Theatertagen eingeladen. In den 1980er Jahren prägte er mit seiner poetischen Seifenblasen-Nummer den Circus Roncalli. Später war er Star im Zirkus Knie und spielte an den Kammerspielen München zusammen mit Gerhard Polt. Seine Tourneen führten in durch ganz Europa und halb Afrika. Am 26. März kommt Pic mit einem Soloprogramm in den Jakobmayer, zu einem von nur drei Auftritten in Bayern. Doch der Vorverkauf läuft zäh. Im SZ-Gespräch sinniert Gerhard Polt, der 2002 bei der Verleihung des Großen Kulturpreises der Stadt St. Gallen die Laudatio auf Pic hielt, über das Phänomen der Publikumsgunst.

SZ: Für Ihren Auftritt mit den Wellbrüdern aus'm Biermoos im Januar im Jakobmayer gab es einen Sonderverkauf. Alle Karten waren in kürzester Zeit weg. Es ist doch schön für einen Künstler, wenn er vor einem vollen Haus spielen kann?

Pic gastiert in Dorfen mit seinem Soloprogramm "Der Schlüssel", in dem er sich unter anderem fragt, wo dieser nur ist. (Foto: Franziska Rast)

Gerhard Polt: Das ist immer eine Gnade. Das sage ich wirklich so oft. Um so mehr ist es interessant zu sehen, wie manchmal die Vorstellungen von Kollegen weniger frequentiert werden, obwohl sie hoch qualifiziert sind, aber sie aus irgendeinem Grund gerade nicht den Bekanntheitsgrad haben. Es gibt wirklich Phänomene. Ich kann mich noch gut erinnern, wie der berühmte Clown Popov nach dem Zusammenbruch des so genannten Eisernen Vorhangs mit dem russische Staatszirkus in unserer Kreisstadt war.

In Miesbach.

Da waren kaum Leute drin. Und ich habe mir gedacht, was ist da passiert? In Rio de Janeiro und in New York war das bummvoll und in Miesbach kommen so wenige. Natürlich wissen wir alle, Ruhm ist vergänglich, und kennen alle diese berühmten Sprüche. Aber es ist schade, wenn, wie beim Pic, auf einmal bei vielen Menschen der Name kaum mehr vorhanden ist oder man sich kaum mehr erinnert.

Pic war im Circus Roncalli die Sensation mit seiner Nummer.

Da war eine Begeisterung bei Alt und Jung. Ich persönlich habe ihn dann kennen gelernt, als wir mit ihm in den Kammerspielen zusammen gespielt haben.

Das war 1988 in "Diri Dari" mit Ihnen, der Biermösl Blosn, Dieter Hildebrandt, Gisela Schneeberger und Otto Grünmandl.

Richtig, da ging's ums Thema Geld. Ich wusste, dass der Pic ein großes Repertoire an Möglichkeiten hat, die vom Clownesken ins Darstellerische gehen. Er konnte so schöne Sachen machen, wie, er geht die Rolltreppe rauf und runter und alle meinen, auf der Bühne ist eine Rolltreppe. Das war sehr komisch und sehr beeindruckend. Jedenfalls, wir suchten jemanden, der jemanden darstellt, dem man schon von Weitem ansieht, dass er überhaupt kein Geld hat. Das konnte er auch spielen. Diese Rolle hat er sehr gut, sehr überzeugend gespielt.

Hat er gesprochen?

Nein, er war pantomimisch tätig. Das ist ja seine Stärke. Es ist nicht so, dass er nicht reden kann, aber er ist, sagen wir es einmal so, sparsam mit der Sprache umgegangen.

Hat er eben auch deshalb so gut reingepasst in "Diri Dari"?

Auch das. Als Figur, die er da war, ist er natürlich sehr aufgefallen, weil er total anders war als die anderen. Seine stille Komik hat sich abgehoben von uns, die wir viel lautere Typen waren.

Ist vielleicht heute nicht mehr die Zeit für Clowns und Pantomimen?

Das glaube ich gar nicht, aber im Endeffekt muss ich raten. Ich kann ja nicht für die vielen Leute sprechen, die ich nicht kenne. Clown ist natürlich ein schwieriges Metier. Die ganz großen Clown-Nummern hat einer vielleicht ein, zwei in seinem Leben. Und mit seinen ganz großen Nummern wird er identifiziert, ein Leben lang. Auch das ist ein Phänomen. Im Endeffekt weiß man oft nicht, woran es liegt. Nehmen wir ein Beispiel: Zwei Österreicher, der eine heißt Tauchen und der andere Stipsits. Das sind zwei Leute, die in Österreich unglaublich berühmt sind, die kennt da fast jeder. Die sind im Fernsehen, die füllen jeden Saal vom Burgenland bis Vorarlberg. Und hier in München haben sie beide Schwierigkeiten gehabt, im Fraunhofer einen Saal mit 80 Leuten zu füllen. Ich finde das Phänomen interessant. Wenn die aus Finnland wären und die keiner kennt - aber Entschuldigung, Österreich ist so nah. Und trotzdem gelingt es denen hier kaum, 80 Leute in einen Raum reinzubringen, Leute, die in Wien sofort vor tausend Menschen spielen.

Wo wird es für Gerhard Polt schwierig?

In Finnland. Wo wir übrigens nächstes Jahr spielen werden. Aber ich erzähl das nur, weil dieses Phänomen interessant ist. Darüber kann man nachdenken: Warum es das gibt und woher das kommt. Mir fällt noch etwas ein: Bei uns im Ort, in Schliersee, gibt es auch so etwas wie den Jakobmayer. Wir haben ein wunderschönes Bauerntheater.

Das Theater von Xaver Terofal, einem Dorfener. Das Schlierseer Bauerntheater war um 1900 eine Weltsensation, auf Amerika-Tournee und hatte Auftritten in der New Yorker Met.

Um nur das zu sagen: In das Schlierseer Bauerntheater gehen ungefähr 400 Leute rein. Aber manchmal sind nur 70 da. Aber die sind dann so begeistert und sagen den anderen, was sie alles gesehen haben. Und die sagen dann, "ah geh". Aber was heißt da, "ah geh" - es war überall bekannt gemacht. Das ist auch ein Phänomen. Ich habe mal erlebt, dass Leute in der Münchner Kunstakademie angekündigt waren, dass sie was machen, schon Monate vorher - und es ist keiner hingegangen. Und dieselbe Person ist einen Tag später - nach der Kunstakademie, wo es nichts gekostet hat - im Literaturhaus aufgetreten. Da haben die Leute Karten auf dem Schwarzmarkt bezahlt, dass sie reinkommen.

Der Pic kommt nur einmal nach Dorfen, Karten gibt's noch und Sie empfehlen allen, auch wenn sie sich nicht mehr so genau an ihn erinnern, hinzugehen?

Gerade denen, die sich nicht erinnern, empfehle ich das, damit sie wieder etwas zum Sich-Erinnern haben.

© SZ vom 12.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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