Dorfen:Der Chef kennt sich aus

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Hubert Aiwanger, Bundes-, Landes- und Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Landtag. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Hubert Aiwanger spricht bei den Erdinger Freien Wählern

Von Florian Tempel, Dorfen

"Ich weiß, dass ich schon mal hier war, ich kenne dieses Gasthaus, ich weiß aber nicht mehr, wann das war und warum ich hier war." Ein Gast der Jahreshauptversammlung der Freien Wähler half Hubert Aiwanger auf die Sprünge: Er sei bei einer Veranstaltung zum Bahnausbau in Dorfen im "Gasthaus am Markt" gewesen. Aiwanger erinnerte sich sofort. Die in Dorfen geforderte Troglösung sei ihm damals gleich "plausibel" erschienen. Man müsse das Thema "warm halten" und dürfe sich nicht mit dem Argument "abspeisen lassen, dass das nicht zu bezahlen ist." Und dann legte der Bundes-, Landes- und Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im bayerischen Landtag los, um seinen Zuhörern Orientierung zu allen möglichen anderen politischen Themen zu geben.

Die B 15 neu, sagte Aiwanger, sollte auf der seit vielen Jahren raumgeordneten Trasse in den Landkreisen Landshut und Mühldorf gebaut werden. Streit über die Streckenführung sei jedoch derzeit unangebracht: "Leute zerkriegt euch nicht, denn da wird in absehbarer Zeit nichts passieren." Denn die Realität sei doch so: "Die Bundespolitiker werden sagen, wir haben dafür eh kein Geld."

In Bezug auf die B 15 neu-Pläne sieht Aiwanger das zwar als entspannend, im Allgemeinen sei es aber "mittlerweile ein Skandal und eine Zumutung für die Bürger", dass lange geplante Verkehrsprojekte nicht realisiert oder wenigstens konsequent beerdigt würden. "Wir sind verkehrspolitisch in Deutschland so auf Kante genäht, da wird mir angst und bange", klagte Aiwanger. Und auch die Deutsche Bahn biete nur "ein Trauerspiel auf allen Ebenen".

Weil nun einmal "kein Geld in der Kasse ist", seien "wir als Freie Wähler auch so skeptisch bei Wunschkonzepten", womit er zur dritten Startbahn am Münchner Flughafen überleitete. Diese sei ebenso überflüssig wie seinerzeit der Transrapid und wie der ebenfalls längst zu den Akten gelegte Donau-Ausbau. Bayern brauche keine Erweiterung des Münchner Flughafens, sondern ein "gesamtbayerisches Flughafenkonzept", das die Flughäfen in Nürnberg und Memmingen stärke. Da die dritte Startbahn wegen des klaren Münchner Bürgerentscheids sowieso nicht gebaut werden könne, überlege Ministerpräsident Horst Seehofer wohl längst, wie er aus der Sache rauskomme.

Das "heißeste Thema" sei aktuell aber ohne Frage die Asylpolitik, sagte Aiwanger. Von der These, die Flüchtlinge seien "die Facharbeiter von morgen", halte er nicht viel. Es gehe nicht an, dass Tausende unkontrolliert und unregistriert über die Grenze nach Bayern kommen. Abgesehen davon, dass die klaren Gesetze faktisch außer Kraft gesetzt seien, seien es einfach zu viele Menschen: "Wenn das so weiter geht, sprengt das alle Dimensionen." Man sollte zwar Kriegsflüchtlinge weiterhin aufnehmen, müsse "aber ganz genau hinschauen". Nicht jeder habe automatisch ein Bleiberecht: "In Afghanistan gibt es auch sichere Gebiete und es wird nicht in allen Teilen Syriens Krieg geführt." Außerdem müsse "klar sein", dass Bürgerkriegsflüchtlinge, wenn der Krieg in ihrem Land zu Ende sei, wieder nach Hause zurückkehren müssten.

Zur Griechenlandkrise sagte Aiwanger, dass es die beste Lösung wäre, in Griechenland die Drachme als Zweitwährung neben dem Euro einzuführen, "damit die abwerten können". Der nach wie vor verfolgte Kurs ,Milliarden Schulden zu übernehmen und den Griechen Sparmaßnahmen und staatliche Privatisierungen aufzuzwingen, sei "der falsche Weg".

Das Freihandelsabkommen TTIP lehnte Aiwanger allgemein ab. Er betonte, dass die Freien Wähler das "als eine der ersten" so deutlich gesagt hätten. Allmähliche dämmere es auch den Unionsparteien und der SPD, dass TTIP untragbar sei. Das die Vertreter der großen Parteien nun kritischer sähen, sei ein Erfolg der Freien Wähler, da man Kritik aus einer "bürgerlich-wertkonservative Gruppe" grundsätzlich ernst nehmen müsse. Nur beim Fernsehen habe man das offensichtlich noch nicht verstanden. In politischen Talkshows werde er leider nie eingeladen, sagte Aiwanger. Seine Analyse: "Scheinbar sind wir denen nicht schrill und verrückt genug."

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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