Stadtplanung in Dorfen:"Aus allen Wolken gefallen"

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Das Gebiet in Dorfen, um das es geht. SZ-Karte, Foto: Google Earth Pro (Foto: oh)

Ärger in Dorfen: Die Stadt plant im Südwesten eine große neue Siedlung und ein Kiesabbaugebiet. Anwohner der angrenzenden Isener Siedlung drohen jetzt mit der Gründung einer Bürgerinitiative.

Von Thomas Daller, Dorfen

Große Ziele verfolgt die Stadt Dorfen mit ihrer neuen Änderung des Flächennutzungsplans: Südlich der Isener Siedlung soll ein neuer Stadtteil entstehen, der so groß ist wie die bestehende Isener Siedlung von der Kirche Sankt Sebastian bis zum Regenrückhaltebecken. Und südöstlich der Isener Siedlung ist ein Kiesabbaugebiet unmittelbar am Siedlungsrand geplant, aus dem angeblich ein Badesee für Dorfen werden könnte. Die Anwohner der Isener Siedlung haben gegen beide Projekte jedoch massive Bedenken, insbesondere wegen der Hochwassergefahr. Diese Flächen sind wie ein Schwamm, der bei starkem Regen viel Wasser aufnehmen kann. Wenn man in diese Flächen eingreift, befürchten sie, dass ihnen künftig das Wasser in die Keller läuft.

Erwin und Ernst Giller sowie Gerd Flören und Peter Buhlan, Sprecher der Anwohner, die allein in der Isener Siedlung bereits 340 Unterschriften gegen diese beiden Projekte gesammelt haben, kündigten bei einem Pressegespräch an, dass sie eine Bürgerinitiative gründen würden, wenn man ihre Sorgen nicht ernst nehme. Sie hätten bereits vor etwa einem Jahr die Stadt mit ihren Bedenken konfrontiert und eine Reihe von Fragen dazu gestellt. Man habe ihnen zugesagt, sie innerhalb von drei Monaten zu beantworten, bis heute sei das nicht geschehen. Deshalb gehe man nun an die Öffentlichkeit und behalte sich weitere Schritte vor.

Die Bedenken hinsichtlich einer Überschwemmung der Isener Siedlung durch weitere Eingriffe in den Stadtrand sind nicht aus der Luft gegriffen. Nur durch einen massiven Pumpeneinsatz mehrerer Feuerwehren konnte beim Juni-Hochwasser 2013 eine Überschwemmung dieses Stadtteils verhindert werden. Diese besondere Gefahrensituation resultiert daraus, dass in diesem Bereich die südliche Hangschulter des Isentals zur Stadt hin entwässert. Das eigens dafür gebaute Regenrückhaltebecken im Süden war 2013 bereits überlastet.

Anwohner fragen: Lohnt sich der Kiesabbau wirklich?

In so einem hydrogeologisch sensiblen Areal nun auch noch ein Kiesabbaugebiet beziehungsweise einen Baggerweiher zu planen, der vom zeichnerischen Umgriff her fast 14 mal so groß ist wie das Regenrückhaltebecken, halten die Sprecher der Anwohner für sehr gewagt. Hinzu kommen auch planerische Ungereimtheiten: Das geplante Kiesabbaugebiet schließt im Entwurf zur 14. Änderung des Flächennutzungsplans unmittelbar an den Siedlungsrand an. Das ist aber rechtlich gar nicht zulässig. Kiesabbaugebiete, so das maßgebliche Landesamt für Umweltschutz, müssen zu allgemeinen Wohngebieten eine Mindestabstandsfläche von 200 Metern einhalten. Bei reinen Wohngebieten wie der Isener Siedlung sind sogar 300 Meter Vorschrift. Wenn man das zugrunde legt, wäre die Hälfte der geplanten Abbaufläche bereits Makulatur.

Ohnehin fragen sich die Anwohner, ob ein Kiesabbau im Isental wirtschaftlich lohnenswert sei. Denn die dicken Flöze befinden sich nur im Westen des Landkreises, der noch Bestandteil der Münchner Schotterebene ist. Im Isental sieht es nach Auskunft des Wasserwirtschaftsamtes ganz anders aus: Dort sei mit "kleinräumig wechselnden Ablagerungen aus Kies, Sand, Lehm und Torf zu rechnen", heißt es in einer Stellungnahme zur Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt Dorfen: "Es muss daher von hohen Anteilen nicht verwertbaren Materials ausgegangen werden." Auch auf die möglichen Folgen geht das Wasserwirtschaftsamt ein: Durch einen Kiesabbau auf größerer Fläche verliere man das im Untergrund vorhandene Grundwassergefälle. Dadurch komme es zu einem Anstieg der Wasseroberfläche, das sogar "über Geländeoberkante" reichen könne. Mit anderen Worten: In der Isener Siedlung kann dann das Wasser in den Gärten stehen.

Problematisch ist nach Ansicht der Anwohner auch die geplante dichte Bebauung im Bereich "Obere Mooswiesen" im Süden der Isener Siedlung. Wenn man dort auf einer Eingriffsfläche von 12,6 Hektar Keller und Tiefgaragen in den Boden setze, sei das mit wasserdichtem Beton technisch sicher möglich. Aber das werde nicht ohne Konsequenzen für die Häuser in der Isener Siedlung bleiben, weil sich dann dort mehr Wasser sammeln werde. Daher fordern die Sprecher der Anwohner ein hydrogeologisches Gutachten, wie sich der Grundwasserpegel sowohl durch das geplante Kiesabbaugebiet als auch durch den geplanten Stadtteil "Obere Mooswiesen" auf die bestehende Bebauung auswirken werde. Und dieses Gutachten müsse erfolgen, bevor der Flächennutzungsplan rechtswirksam werde, sagte Erwin Giller. "Man darf das Pferd nicht von hinten aufzäumen." Ernst Giller erinnerte daran, dass man die Grundwasserproblematik nicht unterschätzen dürfe. In Erding habe man deswegen die weitere Planung der Baugebiete Erdbeerfeld und Haager Straße Ost stoppen müssen.

Erwin Giller monierte zudem, dass die Stadt ihre Bürger über diese weitreichende Planung nicht hinreichend informiert habe. Lediglich auf einer drittel Seite des Amtsblattes habe man ganz allgemein auf Änderungen des Flächennutzungsplanes hingewiesen. Nähere Informationen finde man lediglich auf den Internetseiten der Stadt. Als man in der Isener Siedlung wegen der Unterschriftensammlung von Tür zu Tür gegangen sei, wären die Anwohner "aus allen Wolken gefallen"; kaum jemand habe Bescheid gewusst. Mittlerweile werde diese Planung in der Isener Siedlung jedoch sehr ernst genommen, sagte Giller. Wenn es zur Gründung einer Bürgerinitiative komme, prognostizierte Giller, würden nach seiner Schätzung etwa 300 der 340 Anwohner, die die Stellungnahme unterschrieben hätten, dabei Mitglied werden.

© SZ vom 16.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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