Besuch in der Aufkirchener Asylunterkunft:45 junge Männer und eine Familie

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Eine Familie aus dem Irak ist die einzige Familie in der Unterkunft, ansonsten leben dort nur junge Männer. (Foto: Renate Schmidt)

"Wir versuchen mit gesundem Menschenverstand ranzugehen": Das Leben in der größten Flüchtlingsunterkunft des Landkreises spielt sich nach anfänglichen Problemen ein. Die Erdinger SZ hat die Menschen in den Aufkirchener Containern besucht.

Von Regina Bluhme, Oberding

Eine der größten Flüchtlingsunterkünfte im Landkreis Erding liegt in Aufkirchen. Die vier Containermodule bieten Platz für rund hundert Menschen, doch noch stehen viele Zimmer leer. Zurzeit leben dort 45 junge Männer aus Pakistan, Senegal, Afghanistan und Nigeria sowie eine irakische Familie mit drei Buben. Der Helferkreis "Starke Hände" der Gemeinde Oberding verhehlt nicht, dass es anfangs Schwierigkeiten mit der Hausordnung gab. Doch mittlerweile läuft es gut, berichten die Ehrenamtlichen.

"Hallo, warst du schon in Leichtathletik?", begrüßt Andrea Hartung einen der Bewohner vor der Unterkunft. Die Gemeinderätin von der Wählergemeinschaft Niederding ist Sprecherin des Helferkreises und regelmäßig vor Ort. Jeder Sportverein wäre froh um den jungen Mann, denn wie Hartung herausgefunden hat, war er in Pakistan in einem Leichtathletik-Landeskader. Sein Asylantrag wird derzeit geprüft. Auch die anderen Bewohner der Unterkunft befinden sich - wie es im Amtsdeutsch heißt - im Asylbewerberverfahren.

Im roten Wohngebäude steht Ahmad Abdeel, ebenfalls aus Pakistan, in der Küche an einem der vier Herde und kocht Kartoffeln. Die Küche ist riesig, doch es gibt weder Tische noch Stühle. Gegessen wird auf den Doppelzimmern. "Wenn alle vier Herde in Betrieb sind, dann kann es schon passieren, dass es die Sicherung raushaut", berichtet Jochen Matzke vom Helferkreis. Er hat die Rufbereitschaft übernommen und vom Landratsamt, das derzeit die Unterkunft betreibt, die Schlüssel für den Notfall erhalten. Ein- bis zweimal sei er am Wochenende im Einsatz, berichtet er. Meist wegen der Sicherung. "Es reicht auch schon, wenn drei Wasserkocher gleichzeitig eingeschaltet sind." Jetzt ist er gespannt, "wie es ist, wenn im Winter zusätzlich die Heizung auf Hochtouren läuft."

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Noch sind nur gut die Hälfte der Plätze belegt, eine Familie aus dem Irak wohnt in Aufkirchen.

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Ein Blick in die Zimmer...

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...und in die Küche der Unterkunft.

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Christian Blatt ist Fachgebietsleiter Asylmanagement im Landratsamt.

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Andrea Hartung ist Gemeinderätin und Sprecherin des Helferkreises.

Christian Blatt, Fachgebietsleiter Asylmanagement im Landratsamt, rechnet damit, dass die Regierung von Oberbayern noch heuer die Unterkunft übernimmt. Einen genauen Zeitplan gebe es aber nicht, sagt er. Das Amt zahlt an Bauinvestor Georg Scharl volle Miete für die vier Module, auch wenn gar nicht alle Plätze belegt sind. Wann mit neuen Bewohnern zu rechnen ist, das kann Christian Blatt nicht sagen. Sicher ist aber, dass das Landratsamt auch nach der Übernahme durch die Regierung "weiterhin für die Leistungsgewährung zuständig ist." Heißt: Der umstrittene Kommunal Pass bleibt.

Kurz nach Einzug der jetzigen Bewohner habe es schon Probleme beim Thema Sauberkeit und Einhaltung der Hausordnung gegeben, räumt Andrea Hartung ein. In der Küche sei immer wieder der Alarm losgegangen, so dass manche kurzerhand die Rauchmelder einfach abmontiert hätten. "Das geht natürlich nicht", betont die Helferkreis-Sprecherin, und das sei den Bewohnern auch klar gemacht worden. "Es ist schon viel besser geworden."

In Lindum, der zweiten großen Flüchtlingsunterkunft im Landkreis, sind die Rauchmelder dagegen immer noch Thema. Dort leben hauptsächlich Familien, doch anders als in Aufkirchen ist der Rauchmelder direkt mit der Feuerwehrleitstelle verbunden, so dass die Wehr auf jeden Fall ausrücken muss - immer wieder umsonst. "Der letzte Vorfall in Lindum war vor etwa zwei Wochen", sagt Christian Blatt vom Landratsamt. Dort arbeite man "mit allen Verantwortlichen an einer Lösung." Noch sei diese aber nicht gefunden.

Apropos Brandschutz: In Aufkirchen dürfen in den Zimmern weder Teppiche verlegt noch Couchen gestellt werden. Nicht einmal ein Nagel darf in die Wand geschlagen werden. Da habe es in der Vergangenheit schon Ärger gegeben, erklärt die Helferkreis-Sprecherin Hartung. Zwei Bewohner wollten das Verbot nicht einsehen, "auch nicht nach mehrfacher Aufforderung", so Christian Blatt. Das Ende vom Lied: Sie mussten ausziehen. Andrea Hartung verhehlt auch nicht, dass es zu Beginn "mit der Sauberkeit nicht so geklappt hat". Aber dann hätten die Bewohner die Helfer gebeten, "ihnen bei der Organisation zu helfen", sagt Matzke und mittlerweile reinigt zum Beispiel im roten Haus ein Afghane die Gemeinschaftsräume. 80 Cent pro Stunde erhält er dafür.

"Wir versuchen mit gesundem Menschenverstand ranzugehen. Regeln müssen eingehalten werden. Sozialromantik hilft den Menschen auch nicht weiter", sagt Jochen Matzke vom Helferkreis. Aber das hilft: Sprachkurse, Rufbereitschaft, das Organisieren von Fahrrädern und Winterkleidung, die Unterstützung beim Ausfüllen von Formularen und bei der Jobsuche, Mitmachangebote vom FC Schwaig und dem TuS Oberding und "vor Ort sein als Ansprechpartner", so beschreibt Andrea Hartung die Arbeit der Ehrenamtlichen des Helferkreises. Einige der Asylbewerber arbeiten mittlerweile in der Gastronomie, in Hotels, in der Therme oder bei Paketdiensten, sagt die Gemeinderätin. "Es hat sich herumgesprochen, dass die Verkehrsanbindung sehr gut ist und der Supermarkt gleich um die Ecke - viele wollen gerne hierher", glaubt Christian Blatt hinzu.

Bei Petra Strasser laufen im Oberdinger Rathaus die Fäden zwischen Helferkreis, der Gemeinde und dem Landratsamt zusammen. "Bisher hat die Zusammenarbeit immer gut geklappt", sagt sie. Die Gemeinde hat im Haushalt freiwillige Mittel in Höhe von 30 000 Euro für die Arbeit des Helferkreises eingestellt. Fahrradständer und ein Basketballkorb wurden bereits montiert, demnächst wird es einen Internetzugang geben und im kommenden Jahr soll der Bolzplatz angelegt sein. Vor kurzem hat der Helferkreis im verwaisten Aufkirchner Pfarrheim einen Kleiderladen mit günstigen Wintersachen eingerichtet. Dazu gehört auch eine Teeküche mit Aufenthaltsraum zum Ratschen und Spielen sowie einen Büroraum für die Beratung für Bewerbungen oder das Ausfüllen von Formularen. Wie der Helferkreis betont, kann diese Einrichtung von allen Bewohnern im Gemeindebereich genutzt werden, von Flüchtlingen ebenso wie von allen Menschen, die sozial bedürftig sind.

© SZ vom 18.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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