Amtsgericht Erding:Pech mit teuren Mietwagen

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Ein 42 Jahre alte Mann ist angeklagt, sechs Fahrzeuge im Wert von 400 000 Euro betrügerisch angemietet zu haben. Er selbst sagt, er sei unschuldig, aber gewissermaßen vom Unglück verfolgt

Von Gerhard Wilhelm, Erding/Flughafen

"Kommt es Ihnen denn nicht komisch vor, dass Sie so vom Pech verfolgt wurden?", fragte Amtsrichter Björn Schindler. "Ja schon, so was ist mir in 23 Jahren nicht passiert", sagte der Angeklagte. Das kann man wirklich Pech nennen, wenn einem binnen zwei Tagen zwei hochwertige Mietwagen im Wert von 45 000 und 63 000 Euro gestohlen werden. Die Staatsanwaltschaft vermutet allerdings etwas anderes: dass der 42-jährige Angeklagte beide Autos in der Absicht angemietet habe, um sie zu verkaufen. Darüber hinaus zählt die Anklage seine mutmaßliche Beteiligung an vier weiteren Betrugsfällen auf. Insgesamt geht es um eine Schadenssumme von 400 000 Euro.

Der Angeklagte beteuerte seine Unschuld. Er sei seit vielen Jahren als Fahrer tätig und können von jedem über ein Internetportal gebucht werden. So sei es auch in fünf der sechs ihm zum Vorwurf gemachten Fälle gewesen. Nur einmal, da habe er ein 63 000 Euro teures Cabrio am Düsseldorfer Flughafen für sich und seine Freundin zum Geburtstag gemietet. Dass das schöne Auto einen Tag nach dem Diebstahl eines anderen wertvollen Mietwagens ebenfalls abhanden gekommen sei, sei tatsächlich großes Pech - aber er sei doch selbst zur Polizei gegangen und habe die Mietwagenfirma informiert.

Die Erklärungen, die der Angeklagte für das Abhandenkommen von insgesamt sechs Fahrzeuge zwischen Juli 2012 und Juni 2013 gab, waren abenteuerlich. Im ersten Fall sei er von jemanden samt Auto gebucht worden, um ihn und einen Kaffeeverkäufer nach Holland zu fahren. Dieses Auto sei gestohlen worden, als er es vor dem Haus seiner Freundin in Belgien parkte. Das Cabrio, das er tags darauf mietete, sei ein Tag später ebenfalls in Belgien vor einem Café entwendet worden.

Bei den folgenden zwei Fällen sei er nur der Fahrer gewesen. Erst habe er für einen Auftraggeber in einem zweiten Wagen dessen Familie nach Ungarn fahren sollen. Dann habe es eine Planänderung gegeben und die Reise habe auf einmal weiter in die Türkei gehen sollen. An der serbisch-bulgarischen Grenze seien beide Autos - eine 135 000 Euro teure Limousine und ein 40 000 Euro teurer Wagen - beschlagnahmt worden. Er habe gar nicht gewusst, dass die Automietverträge die Einreise nach Bulgarien nicht erlaubten.

Im fünften und sechsten Fall sollte er als Fahrer eine Familie in einen türkischen Grenzort zum Irak fahren. Als sie dort mit den beiden am Flughafen München gemieteten, je 60 000 Euro teuren Autos angekommen seien, habe er zu seiner kurdischen Familie im Irak weiter fahren wollen. Er sei aber wegen eines angeblich falschen britischen Passes und dem Besitzes von unerlaubten Schmerzmitteln von irakischen Grenzbeamten verhaftet worden. 13 Monate habe er unschuldig im Gefängnis gesessen. Denn die angeblich illegalen Medikamente habe er von seinem Arzt verschrieben bekommen und sein Pass sei völlig in Ordnung gewesen. 18 mal sei er nun schon wegen der Sache vor Gericht gestanden, jetzt auch noch in Deutschland.

Von den verschwundenen Autos sind vier wieder aufgetaucht: die zwei an der serbisch-bulgarischen Grenze beschlagnahmten Fahrzeuge sowie die in Belgien abhandengekommene Limousine 2016 in Jordanien und das Cabrio bereits im August 2013 in Italien. Von den zwei anderen Fahrzeugen fehlt jede Spur.

Auf die Frage des Richters, warum er immer in so hochpreisigen Autos unterwegs war, erwiderte der Angeklagte, dass diese sicherer und problemloser auf längeren Strecken seien. Er habe als Fahrer bestimmt schon 80 bis 100 Autos angemietet; und alle anderen seien zurückgegeben worden.

Der in Düsseldorf ermittelnde Polizeibeamte machte bei seiner Aussage vor Gericht keinen Hehl daraus, dass er dem Angeklagten kein Wort glaube und ihn für schuldig halte. Die Vortäuschung eines Diebstahls sei eine "bekannte Taktik" unter Autoschiebern. Ein Polizeibeamter vom Münchner Flughafen sagte, dass der Angeklagte danach selbst kein Auto mehr anmieten habe können, da er automatisch bei den Vermieter auf einer "Blacklist" geführt worden sei. Deshalb seien eben andere Personen vorgeschickt worden. Und auch das Ziel sage einiges aus: "Wenn die Autos erst mal in Bulgarien oder Serbien sind, dann sind sie weg." Die angeblichen Auftraggeber des Angeklagten aus England waren zwar zur Verhandlung geladen worden, aber nicht erschienen.

Der Verteidiger hat beantragt, bis zur nächsten Verhandlung das gesperrte E-Mail-Konto seines Mandanten mit dessen Hilfe einsehen zu dürfen. Die E-Mails könnten beweisen, dass er wirklich nur als Fahrer beauftragt wurde. Gesperrt ist das Konto freilich nur deshalb, weil der Angeklagte sein Passwort vergessen habe. Das wiederum sei auf dem beschlagnahmten Handy zu finden. Zu einem Urteil kommt es wegen der schwierigen Beweisaufnahme wohl erst am 25. April.

© SZ vom 16.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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