Amtsgericht Ebersberg:Unbeherrschte Reaktion

Lesezeit: 3 min

Anklage wegen Vortäuschen einer Straftat

Dass sich beim Erhalt einer Rechnung unfrohe Gefühle einstellen können, ist nicht ungewöhnlich. Und so ging es offenbar auch einem 55-Jährigen aus dem westlichen Landkreis. Ungewöhnlich war dann allerdings die Reaktion des Mannes: Er erstattete gegen den Absender Anzeige bei der Polizei wegen Betruges. Zu Unrecht, wie sich herausstellte, weshalb der Anzeigeerstatter nun wegen Vortäuschens einer Straftat auf der Anklagebank im Amtsgericht Platz nehmen musste. Dieses hatte die Angelegenheit bereits per Strafbefehl regeln wollen, 2400 Euro sollte der Mann zahlen. Dagegen legte er Widerspruch ein.

Auslöser der ganzen Geschichte war die Rechnung einer Hamburger Inkassofirma, die für eine Bank Schulden bei dem nun Angeklagten eintreiben wollte. Der jedoch erklärte im vergangenen Dezember auf der Polizeiwache, er habe weder von der Firma noch von der Bank jemals etwas gehört, weshalb er davon ausgehe, dass man ihn betrügen wolle. Als die Ermittler der Sache nachgingen, stellten sie allerdings sehr wohl eine Verbindung des 55-Jährigen mit der Bank fest: Beide Parteien hatten 1997 einen Vergleich geschlossen, wonach der Mann der Bank aufgelaufene Schulden in Raten zurückzahlen sollte. Was er zwar auch tat - allerdings blieben offenbar Verfahrenskosten in Höhe von 88 Mark und 40 Pfennig offen.

Was der Angeklagte aber nicht habe wissen können, so der Verteidiger nun vor Gericht, immerhin habe sich jahrelang niemand wegen des Geldes bei ihm gemeldet. Zuletzt hatte er 2009 mit einer Forderung in der Sache zu tun, die er aber nicht bezahlt habe. Dann sei wieder sieben Jahre nichts passiert, so dass der Angeklagte einfach vergessen habe, was möglicherweise hinter der Forderung stecke. "Es tut ihm leid, dass er die Polizei damit beschäftigt hat", so der Verteidiger, "er wollte niemandem schaden." Inzwischen habe er die Forderung beglichen.

Warum er denn nicht einfach beim Absender der Rechnung nachgefragt habe, wollte Richterin Vera Hörauf wissen, schließlich seien auf dem Schrieb Telefon- und Faxnummer, E-Mail-Adresse sowie Bürozeiten angegeben gewesen. Das liege daran, so der Angeklagte, dass man dort "sowieso nichts erfährt, in der Warteschleife hängt und abgewimmelt wird". Dies kenne er von einer anderen Sache. Der Angeklagte habe sich einfach bedroht gefühlt von der Forderung, versuchte sein Verteidiger zu erklären, schließlich seien Fälle von unseriöse, ja teilweise sogar betrügerische Inkassofirmen durchaus bekannt.

Gleich mit einer Anzeige zu reagieren, sei trotzdem überzogen, meinte die Richterin: "Sie machen vielen Leuten viel Arbeit, was alles aus Steuergeldern finanziert wird" und außerdem Zeit nehme für echte Fälle, "deshalb ist so etwas strafbar". Der Angeklagte erklärte, er leide an einer dissoziativen Psychose, deswegen sei er auch in Behandlung. Folge der Krankheit seien "undurchdachte Spontanhandlungen", erläuterte der Verteidiger - wie eine Anzeige bei der Polizei wegen einer überraschenden Rechnung.

Auch auf die Rechnung aus dem Jahr 2009 hatte der Angeklagte nicht unbedingt durchdacht reagiert. Dem Gericht lag das Antwortschreiben vor, worin nicht nur mit einer Anzeige gedroht, sondern die Absender der Rechnung auch beschimpft werden, etwa mit Formulierungen "Ratten" und "kriminelle Subjekte", als Schlussformel wählte der Angeklagte die Worte "F... You". Dies zeige doch, so der Anwalt, dass sein Mandant die Forderungen als ungerechtfertigt angesehen habe. "Das zeigt, dass einer nicht zahlen will", befand dagegen die Richterin und sah darin eine mögliche Erklärung, warum danach erst einmal keine neuen Forderungen kamen: "Wenn man so eine Antwort erhält..."

Dass sich der Angeklagte nicht immer im Griff hat, zeigt auch sein Vorstrafenregister. 13 Mal ist er in den vergangenen 25 Jahren mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, neben einiger Verkehrsdelikte hauptsächlich wegen Beleidigung. Angesichts dieser Vorstrafen zeigten sich Richterin und Staatsanwalt auch zunächst skeptisch gegenüber dem Vorschlag der Verteidigung, das Verfahren gegen Geldauflage einzustellen.

Man könne auch ein psychologisches Gutachten des Angeklagten erstellen, beantragte daraufhin der Verteidiger, das die Neigung seines Mandanten zu unüberlegten Handlungen als Folge von dessen Krankheit belegt. Dies könne man sich sparen, befand der Staatsanwalt, "dass er dazu neigt, würde ich zu seinen Gunsten auch so annehmen". Was aber eben nichts darüber aussage, ob er vorsätzlich gehandelt hat, also etwa "einen Denkzettel erteilen wollte", oder wirklich von einem Betrug ausgegangen sei.

Schließlich einigten sich die Beteiligten doch auf eine Einstellung. Wenn der Angeklagte im nächsten halben Jahr 1200 Euro an die Umweltschutzorganisation "One World One Ocean" spendet, ist die Angelegenheit erledigt.

© SZ vom 19.08.2017 / wkb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: