Amtsgericht Erding:Wohin mit dem Geld?

Lesezeit: 3 min

Das Amtsgericht Erding an der Münchner Straße. (Foto: Renate Schmidt)

Wenn am Amtsgericht Bußgelder oder Geldauflagen gezahlt werden müssen, entscheidet der Richter, wer die Zuwendungen bekommt. Manche Sozialeinrichtungen wundern sich aber: Sie werden kaum mehr bedacht

Von Regina Bluhme, Erding

100 Millionen Dollar. So viel zahlte Formel-1-Chef Bernie Eccleston 2014 als Auflage in einem Bestechungsverfahren am Oberlandesgericht München. 750 000 Euro davon gingen an ein Kinderhospiz. Dagegen wirken die Summen, die am Amtsgericht Erding anfallen, fast bescheiden: 5000 Euro Bewährungsauflage erhielt kürzlich ein 63-Jähriger, der wegen sexueller Nötigung verurteilt wurde. Das Geld muss er dem Weißen Ring überweisen. Welche Einrichtung von einer Geldauflage profitiert, das liegt allein im Ermessen des Richters. Während das Frauenhaus Dorfen nach eigenen Angaben schon seit Jahren nicht mehr bedacht wird, verzeichnete der Tierschutzverein Erding 2015 einen Anstieg der Zuwendungen.

Angela Rupp, die Leiterin des Frauenhauses Dorfen, kann sich die Sache nicht so recht erklären. Früher sei ihrer Einrichtung vom Amtsgericht regelmäßig eine Geldauflage zugewiesen worden. "Wir werden leider schon seit Jahren nicht mehr bedacht", sagt sie. Dabei könne die Einrichtung jeden Cent brauchen. "Dass man uns nicht kennt, kann ich mir nicht vorstellen." Schließlich würden Mitarbeiterinnen immer wieder Klientinnen zum Gericht begleiten. Im erwähnten Verfahren mit der Geldauflage von 5000 Euro hätten sich die beiden betroffenen Frauen sogar im Frauenhaus beraten lassen.

Bei Marlene Meier, der Vorsitzenden des Tierschutzvereins Erding, ist dagegen zu erfahren, dass ihr Verein immer wieder mit Geldauflagen vom Amtsgericht bedacht werde. "Das sind ganz unterschiedliche Beträge, früher war es mehr, in letzter Zeit kamen sie eher tröpfchenweise", sagt sie. Doch 2015 seien es wieder mehr gewesen. Das Geld fließt in den Haushalt der Tierhilfe ein.

Thomas Pölsterl, Leiter der Erdinger Suchtberatungsstelle Prop e.V., sagt wiederum, dass sein Verein nur "hin und wieder und in sehr geringem Umfang" von gerichtlichen Geldauflagen oder Bußgeldern profitiere. "Der Betrag im Jahr ist bestimmt nicht fünfstellig", sagt er. "Das ist nicht viel, wenn ich sehe, was andere Träger so kriegen." Womöglich liege es daran, dass die Arbeit im Suchtbereich nicht so öffentlichkeitswirksam dargestellt werden könne, schätzt Pölsterl. "Wir würden uns über mehr Geld sehr freuen."

Das Strafrecht sieht vor, dass ein Ermittlungs- oder auch ein Gerichtsverfahren gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt werden kann, sagt Stefan Priller vom Amtsgericht Erding. Ausgeschlossen von dieser Rechtsgrundlage seien allerdings alle Fälle, in denen eine Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr drohe. Die richterliche verordnete Summe gehe entweder an die Staatskasse oder an eine gemeinnützige Vereinigung. "Wobei der Angeklagte auch immer befragt wird, ob er mit dem Verwendungszweck einverstanden ist", wie Priller sagt.

Als Orientierungshilfe für die Richter gibt es Listen mit entsprechenden Vereinen oder Institutionen. Eine mit regionalem Bezug am Landgericht Landshut und eine mit bundesweit tätigen Organisationen am Oberlandesgericht München. Die Listen sind nicht in Stein gemeißelt, Bewerbungsformulare liegen in den Gerichten aus. Grundlegende Voraussetzung, um auf die Liste zu kommen, sei eine Bescheinigung des Finanzamts über die Gemeinnützigkeit, so Priller. Satzung und Vereinszweck müssten vorgelegt werden. Zuweisungen könnten somit sowohl der Kinderschutzbund und eine Suchtberatungsstelle erhalten als auch zum Beispiel die Kreismusikschule, "denn auch diese erfüllt eine anerkannte gemeinnützige Aufgabe".

Der Richter sei in seiner Entscheidung völlig unabhängig und auch nicht an die Liste gebunden, so Priller. Diese sei "nur eine Hilfestellung". Eine Geldauflage kann also auch einem nicht gelisteten Verein zu Gute kommen - solange dieser als gemeinnützig anerkannt ist. Schlagzeilen über mögliche persönliche Verstrickungen von Richtern und Verein gibt es bundesweit immer wieder, das räumt Priller ein. Am Amtsgericht Erding sei ihm aber kein solcher Fall bekannt. "Es gibt schon einen Kodex, dass Privates und Dienstliches nicht miteinander vermischt wird", sagt er.

Freilich gäbe es Vereine und Institutionen, die öfter und lauter auf sich aufmerksam machten als andere, fügt der Pressesprecher des Amtsgerichts Erding hinzu. Sehr häufig klopfen laut Priller am Amtsgericht vor allem überregionale Organisationen an. Es komme auch immer wieder vor, dass Erdinger Vereinsvorsitzende persönlich vorbeischauten und auf ihre Arbeit und neue Projekte aufmerksam machten.

Wenn einem Verein oder einer Institution eine Geldauflage zukommt, dann muss per Formular unverzüglich der Geldeingang beim Gericht gemeldet werden. Denn solange kein Geld geflossen ist, gilt das Verfahren als nicht eingestellt. Außerdem ist die Institution verpflichtet, einmal im Jahr die Summe der eingegangenen Zahlungen mitzuteilen. Wie und wofür das Geld verwendet werde, dazu müsse die Institution nur "auf Anforderung" Auskunft geben.

Die Gesamtsumme, die übers Jahr im Bereich des Landgerichts Landshut an Vereine oder Institutionen verteilt wird, kann Pressesprecher und Vizepräsident Rainer Wiedemann nicht beziffern. "Aber da kommt schon was zusammen." Er schätzt die Summe auf einen fünf- bis sechsstelligen Betrag. In der Regel seien es eben kleinere Beträge, die auch in Raten abgezahlt werden können. "Es ist ja niemand daran gelegen, dass sich ein Angeklagter auch noch in finanzielle Schwierigkeiten bringt", sagt Stefan Priller.

© SZ vom 15.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: