Afrikanische Schweinepest:Bauern fordern Wildsau-Massaker

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Wildschweine in der Hohenlindener Sauschütt: Auf nächtlichen Wanderungen zieht es die Tiere auch in die Erdinger Maisfelder. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Statt 200 sollen künftig Tausende Tiere jährlich im Landkreis geschossen werden. Den Landwirten scheint fast jedes Mittel recht zu sein, das Schwarzwild auszurotten

Von Thomas Daller, Lengdorf

Die Angst vor der Afrikanischen Schweinepest (ASP) und eine mögliche Übertragung durch Schwarzwild schlägt bei den Landwirten im Landkreis Erding allmählich in Hysterie um: Bei der Jahreshauptversammlung der Jagdgenossenschaften in Lengdorf forderte Michael Hamburger, stellvertretender Kreisobmann des Bauernverbandes, die jährlichen Abschusszahlen bei Wildschweinen von etwa 200 auf rund 2500 Tiere zu steigern. Dafür ist den Landwirten fast jedes Mittel recht: Drohnen mit Wärmebildkameras, Fallen im Wald, Drückjagden, bei denen Straßen gesperrt werden sollen, sowie Ausnahmegenehmigungen für die verbotenen Nachtzielgeräte. Landrat Martin Bayerstorfer und Umweltministerin Ulrike Scharf (beide CSU) versprachen ein "Bündel von Maßnahmen".

Die ASP rückt von Osten her Richtung Deutschland vor. Das Virus ist für Menschen ungefährlich, aber hochansteckend und tödlich für Haus- und Wildschweine. Außerdem kann das Virus über Fleisch und Würste von infizierten Tieren weitergegeben werden. ASP wütet bereits flächendeckend im Baltikum, in Polen und in der Ukraine. In Tschechien gibt es derzeit eine einzelne infizierte Wildschweinpopulation, die aber von den Behörden erfolgreich isoliert wurde. Bei diesem Fall in Tschechien geht man von einer Übertragung durch achtlos weggeworfene Lebensmittelreste aus.

Bei der Versammlung in Lengdorf referierte Andreas Tyroller von der Hauptgeschäftsstelle Oberbayern des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) vor etwa 150 Landwirten und Jägern über vorbeugende Maßnahmen gegen eine Übertragung der Tierseuche. Dabei wies er auf die etwa 20-mal so hohe Wildschweindichte in Teilen Frankens hin und behauptete, es sei nur eine Frage der Zeit, bis dies auch im Landkreis Erding der Fall sei. Denn Wildschweine hätten eine jährliche Vermehrungsrate von "null bis 300 Prozent". In weiteren Rechenbeispielen fiel dann das "Null bis" weg und es war nur noch von 300 Prozent die Rede. Dass die Bestände im Landkreis Erding, legt man die Abschusszahlen zugrunde, seit Jahren relativ stabil sind, interessierte daraufhin niemand mehr. Ein Schreckensszenario stand im Raum, dem man nur mit einem Wildsau-Massaker begegnen könne. Der stellvertretende Kreisobmann Michael Hamburger schloss von den jährlich 200 erlegten Tieren auf einen Bestand von 800, die sich bis Jahresende um weitere 2400 Wildschweine vermehren würden, die man hinzuaddieren müsse. Daraus ergab sich nach seiner Rechnung eine künftige Abschussquote von mehr als 2500 Wildschweinen, ansonsten stünde die Zukunft der Landwirtschaft auf dem Spiel. "Ich habe gehört, in Tschechien kommt das Militär, wenn es die Jäger nicht in den Griff kriegen", fügte der ehemalige Kreisobmann Hans Schwimmer hinzu.

Tyroller forderte die Landwirte auf, selbst einen Jagdschein zu erwerben, das Jagdrecht solle wieder in Bauernhand: "Wenn man die Jagd selbst betreibt, funktioniert das hervorragend." Sabine Berger schlug vor, das Waffenrecht großzügiger zu handhaben und den Jägern den Einsatz von Nachtzielvorsatzgeräten zu erlauben.

Ulrike Scharf, die als Ministerin für Umwelt und Verbraucherschutz für die Tierseuchenbekämpfung zuständig ist, verwies auf 1,5 Millionen Euro Abschussprämien, die ihr Ministerium 2018 für Schwarzwild zahle, 20 Euro pro Tier. Darüber hinaus würden Nachtzielvorsatzgeräte nur in Regionen erlaubt, in denen Wildschweine tatsächlich eine Plage seien: In manchen Landkreisen Unterfrankens würden jährlich 5000 Sauen geschossen; "bei uns sind's 200".

Landrat Martin Bayerstorfer kündigte ein "Bündel von Maßnahmen" an, wies aber auch darauf hin, dass man selbst dann nicht gegen die ASP gewappnet sei, wenn die Wildschweinpopulation gegen null gehe. Es gebe für ihn "keine Tabus", weder bei den Lebendfallen "Saufang" noch bei Nachtzielgeräten. Er werde sich auch für revierübergreifende Drückjagden einsetzen, für die man auch Straßen sperren könne. Bei Nachtzielgeräten müsse allerdings das Bundeskriminalamt zustimmen, weil bereits der Besitz ein Straftatbestand sei.

Der Kreisjagdverbandsvorsitzende Thomas Schreder wies wiederholt darauf hin, dass die Jäger ohnehin einen Ausbruch der ASP unbedingt vermeiden wollten. Ein Aufspüren mit Drohnen mit Wärmebildkameras sei allerdings sehr kostspielig, weil sie pro Stück etwa 15 000 Euro kosten würden.

© SZ vom 01.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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