Energie-Kick nach dem Aufstehen:Kobra am Morgen

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Ob Qi Gong, Yoga, Fitnesstraining oder Joggen - Frühsportangebote werden gerne genutzt, auch auf dem Weg zur Arbeit. Für einen guten Start in den Tag ist es ratsam, die Sportkleidung schon am Abend zuvor zurechtzulegen

Von Lisa Böttinger

Das Gegenteil von 'etwas auf dem Herzen haben'", so beschreibt Miriam Struncius das Gefühl nach dem morgendlichen Qi Gong. Qi steht für Lebensenergie, Gong heißt so viel wie "üben". Und das kann man nicht oft genug tun, findet die Kursleiterin von "Fit im Park", dem kostenlosen Sommer-Sportprogramm der Stadt München. Etwa 30 Frauen und Männer haben sich an einem Mittwochmorgen auf der Gymnastikwiese im Luitpoldpark zum "Qi Gong vor der Arbeit" eingefunden - manche in Jogginghose, andere in Jeans und Bluse. "Manche kommen auch direkt im Anzug", sagt Paula Burkard, die regelmäßig morgens zum Training geht. "Sich am frühen Morgen hier draußen zwischen den Bäumen zu bewegen, wenn die Sonne langsam den Rücken wärmt - das ist unschlagbar," sagt die Mittfünfzigerin. Auch sie wird später direkt zur Arbeit fahren.

Wer Sport vor der Arbeit integrieren möchte, kann bei "Fit im Park" zwischen Qi Gong oder Yoga wählen. Von Mai bis September kommen die Münchner morgens in den Luitpold- und den Westpark, beim Zumba oder Fitnesstraining am Abend in Riem oder dem Ostpark werden es auch mal sehr viele: "Letzte Woche waren wir 170", sagt Struncius. Das Angebot sei beliebt, gerade weil man nichts zahlen und sich nicht verpflichten müsse - so seien auch die frühen Kurse gut gefüllt.

Ist das persönliche Sportprogramm ausreichend? Die Antwort auf diese Frage hängt stark davon ab, mit wem man sich vergleicht. (Foto: Stephan Rumpf)

"Ein Abendkurs kommt für mich nicht in Frage", sagt Carmen Meier, "da locken Freunde und Biergarten." Die junge blonde Frau arbeitet bei einem Privatsender in München, ihren Feierabend kann sie nur schwer vorhersagen. An einem Freitagmorgen steht sie um 7 Uhr in der Filiale von Fitness First am Marienplatz: Hotpants, schwarzes Maxi-Shirt und Wimperntusche, die gleich ordentlich verlaufen wird. "Wer früh zu uns kommt, will vor der Arbeit schon etwas geleistet haben", sagt Daniel Ebert, der Trainer im Studio: "Die meisten Leute kommen zwischen halb sieben und halb acht." Sein "TRX-Circuit"-Kurs dauert bis 7.45 Uhr. Die Kraftübungen mit Synthetik-Bändern und dem eigenen Körpergewicht können an verschiedene Schwierigkeitsgrade angepasst werden - rote Köpfe haben danach alle. Nur Inga Flicker wirkt noch tiefenentspannt: "Ich brauche sehr viel Bewegung", sagt die 36-jährige Unternehmensberaterin. Ihre muskulösen Oberarme blitzen unter einem roten Shirt hervor, mit lockeren Schritten hüpft sie die Treppe zu den Umkleiden hinunter. Trainer Ebert räumt die Gymnastikmatten für die nächsten Kurse auf. Am Morgen kämen vor allem Berufstätige und Studenten, sagt der 28-Jährige. Doch die Mitgliedschaft in einem privaten Studio muss man sich leisten können: Zwischen 45 und 85 Euro beträgt die monatliche Klubgebühr bei Fitness First, ähnlich sind die Preise bei anderen Anbietern.

Auf der Buttermelcherstraße kehren ein paar Männer in orangefarbenen Arbeitskitteln Kippenstummel und Kronkorken weg. Es ist still hier um kurz nach sieben Uhr morgens. Nur aus dem Hinterhof der Hausnummer 15 dringt leise, sphärische Musik. Vorbei an mit Efeu umrankten Fahrradständern geht es über warmes Parkett in den Yoga-Saal von Jivamukti, barfuß natürlich. Gissou Milani hat für ihr morgendliches Yoga tief in die Tasche gegriffen. Etwa 800 Euro zahlt die Visagistin für die Jahreskarte bei Jivamukti, für Neulinge kostet eine Probestunde acht Euro, danach zahlt man 13 Euro für 60 Minuten. Milani besucht fast nur die frühen Yogastunden: "Obwohl ich Freiberuflerin bin, muss ich zu den gängigen Arbeitszeiten ans Telefon gehen können", sagt die zierliche Frau und begrüßt die Yoga-Lehrerin mit hellwacher Stimme. Marie, die heute die Stunde "Spiritual Warrior" leitet, lacht. "Nicht alle Yogis stehen gerne so früh auf", sagt sie. Zwölf Stimmen, darunter vier männliche, summen kurz Zeit später ein langes "Ommm" in einen lichtdurchfluteten Raum mit fliederfarbenen Vorhängen. Ist das Sport? "Wer herkommt, um etwas für den Körper zu tun, bekommt automatisch auch einen freien Kopf, und wer den Geist entspannen will, strengt sich trotzdem an", sagt Paul Spielhagen, der hier an der Rezeption arbeitet. Herabschauender Hund, Kobra, Kopfstand - auch hier verlassen Frühsportler den Raum leicht verschwitzt. Eine Teilnehmerin, gerade noch in gestreiften Leggings, schlüpft wenig später im Seidenkostüm aus der Umkleide und schnappt sich ihre High-Heels aus dem Schuhregal.

Zweimal die Woche geht es in dem Studio am Gärtnerplatz schon um 7.30 Uhr los, auch andere Münchner Yogastudios bieten mittlerweile ein "Earlybird"-Training an. Die Nachfrage nach Frühsport in der Gruppe steigt - das spüren auch kleinere Veranstalter und Internet-Communities. Klaus-Hermann Witzmann betreibt mit seiner Lebensgefährtin Karolina Kreis "Moving You", ein Trainingsangebot für kleine Gruppen, wofür man sich im Internet anmelden kann. Von drei Frühkursen im Nymphenburger Park sind zwei schon ausgebucht. Die meisten Teilnehmer seien morgens besser drauf, sagt Witzmann, "besser als in den Abendklassen. Da dauert es, bis man den Arbeitstrott abgelegt hat."

Ganz individuell lässt es sich auch mit dem Smartphone trainieren: Die Online-Plattform Freeletics bietet kostenlose Workout-Tipps an, in den sozialen Medien verabreden sich die Mitglieder zum gemeinsamen Sport wie Joggen. Kommen kann jeder, zum Beispiel um sieben Uhr morgens auf die Theresienwiese. Wie man sich so früh motivieren kann? "Es hilft, die Sportklamotten schon am Abend zuvor im Bad zurechtzulegen", sagt Sarah Braun, Sprecherin von Freeletics und selbst Frühsportlerin: "Wenn die Sportsachen dann am Abend immer noch da liegen, weiß ich, dass ich heute etwas verpasst habe."

Patrick Brünner muss sich für den Frühsport nicht überwinden. Der 48-Jährige dehnt sich im Luitpoldpark in der zweiten Reihe der Qi Gong-Teilnehmer. Schwungvoll kreist er seinen rechten Arm, verlangsamt und führt den Handrücken vor der Stirn entlang. Für den Vater einer Dreijährigen ist der Mittwochmorgen heilig: "Meine Lebensgefährtin bringt unsere Tochter in die Kita, so habe ich einen ganzen Morgen nur für mich." Eine halbe Stunde dauert das Qi Gong, keine drei Minuten später ist die Wiese wieder leer. Nur ein paar Fahrradfahrer strampeln eilig Richtung Stadt.

© SZ vom 10.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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