Einkaufen:Lücken in der Versorgungskette

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Vor allem im Münchner Norden fehlt in manchen Gebieten ein gut erreichbarer Supermarkt

Für Sabine Loibl-Gänsbacher bietet die Unsicherheit, wie es mit den Edeka- und Tengelmann-Märkten in München weitergeht, möglicherweise sogar eine Chance: Die Vorstandsfrau des Euro-Trainings-Centre, eigentlich ein klassischer Bildungs- und Qualifizierungsträger, betreibt seit 2012 auch einen Supermarkt und bildet Verkäufer und Lageristen aus. Der "nah & gut" stopft eine Lücke, die der Abriss des alten Edeka-Markts in der GWG-Siedlung am Harthof hinterlassen hat. Zum Jahresende soll dort wieder ein echter Vollsortimenter eröffnen, Loibl-Gänsbacher und ihr Team müssen dann weg. "Vielleicht", sagt die Supermarkt-Chefin, gebe es ja irgendwo in der Stadt einen kleinen Laden, der sich für die Ketten nicht mehr lohne. Der "nah & gut", interimsmäßig in der ehemaligen Bücherei an der Parlerstraße untergebracht, könnte sofort umziehen. Nicht von ungefähr ist die ganze Ausstattung mobil angelegt.

Dass man Loibl-Gänsbacher und ihr fliegendes Geschäft speziell im Münchner Norden brauchen kann, dafür gibt es seit Längerem Signale. Bewohner der Nordhaide-Siedlung klagen seit Jahren über die unzureichende Versorgungslage. Der östliche Teil des Quartiers liegt abgehängt zwischen dem Mira-Einkaufszentrum und dem Euro-Industriepark, alte Leute sind mit ihren Einkaufstüten zum Busfahren gezwungen.

Selbst in innerstädtischen Vierteln aber wächst stellenweise die Angst um die Nahversorgung - obwohl eine 2012 im städtischen Auftrag vorgelegte Studie für die meisten Viertel eine "flächendeckende" oder "nahezu flächendeckende" Versorgung konstatiert. Das Angebot an der Milbertshofener Riesenfeldstraße, einst traditionelle Einkaufsmeile des Viertels, dünnt seit Jahren aus. Neubauvorhaben wie auf dem ehemaligen Paulaner-Gelände in der Au lösen immer auch Nahversorgungs-Sorgen aus: In der Unteren Au sollen auf etwa 2000 Quadratmetern Geschossfläche Läden entstehen, um die tägliche Versorgung zu sichern.

Wo die Stadt wächst, muss auch die Infrastruktur ausgebaut werden. Deutlich wird das in Feldmoching, das seit Jahren unter mangelnder Nahversorgung leidet. Mit zwei neuen Siedlungen wird das Viertel erheblich vergrößert, die Notwendigkeit, Vollsortimenter zu bauen, steigt. Derzeit gibt es einen doppelten Hoffnungsschimmer: Dass ein Rewe am Bahnhof gebaut wird, steht fest. Ein weiterer Markt weiter nördlich ist denkbar. Bisher argumentierten die Supermarkt-Ketten immer, ein Neubau lohne sich nicht, weil es nicht ausreichend Kundschaft gebe.

Je kleiner die Siedlung und je näher am Stadtrand, desto größer werden die Probleme: Der Supermarkt in der Gartenstadt Johanneskirchen im äußersten Nordosten stand 2010 ein Jahr lang leer. Die 450 Quadratmeter große Fläche war den Unternehmen zu klein. 2011 eröffnete mit städtischer Unterstützung ein Bonus-Markt, betrieben von einer gemeinnützigen Gesellschaft zur Integration von Langzeitarbeitslosen. 70 Prozent seiner Kunden sind Rentner. Gäbe es den Markt nicht, müssten sie mit dem Bus zum Einkaufen fahren und zweimal umsteigen. Die Stadt hat gerade den Bonus-Zuschuss von 80 000 Euro pro Jahr bis 2021 verlängert.

© SZ vom 19.03.2016 / tek, ssr, ust - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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