Eels im Münchner Zenith:Ein Hauch Melancholie

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Mark Oliver Everett, (Foto: dpa)

Krawallig und kraftvoll statt immer nur melancholisch: Die Eels brauchen Zeit, bis es ihnen gelingt, das Publikum im Münchner Zenith in Euphorie zu stürzen. Vor allem in einer ungewöhnlichen Nachspielzeit.

Von Ingrid Fuchs

Auf alles gefasst sein und nichts erwarten. Eine Strategie, die zugegebenermaßen in fast jeder Lebenssituation von Vorteil ist, bei einem Künstler wie diesem aber schon fast obligat scheint. Denn wer schon einmal auf einem Konzert von "E" alias Mark Oliver Everett, Mastermind der US-amerikanischen Band Eels war, weiß: Dieser Typ mutet seinen Fans gerne was zu.

Russische Kinderfilme zum Beispiel, wie beim Konzert in der Münchner Tonhalle im Jahr 2005. Oder tiefe Einblicke in seine Familiengeschichte und damit wohl auch sein Innerstes, als er 2010, ebenfalls in der Tonhalle, den Dokumentarfilm "Parallel Worlds, Parallel Lives" über die Vergangenheit seines Vaters zeigte. Das Publikum wurde in beiden Fällen zum Stillsitzen verdonnert. Was also kommt diesmal?

Die Eels sind nach München gekommen, um ihr neues, mittlerweile zehntes Studioalbum vorzustellen: "Wonderful, glorious." 13 Songs, deren Entstehungshintergrund wohl zu den besseren Phasen im Leben des 50-jährigen Everett zählt; denn zumindest vorübergehend scheint das Unglück von ihm abzulassen - vielleicht gibt es für das Unglück aber auch einfach nichts mehr zu holen, nachdem binnen weniger Jahre Vater, Mutter, Schwester und eine Cousine ums Leben kamen.

Dem Anfang Februar erschienenen Album jedenfalls merkt man die neuen Zeiten an, viele Stücke sind kraftvoller und lebensbejahender. Krawalliger und unbeschwerter. Genau das versprühen die fünf Kerle in schwarzen Adidas-Trainingsanzügen, Sonnenbrillen und teils mit Vollbart, die mehr als eine Stunde nach angesetztem Konzertbeginn und endlos erscheinendem Vorband-Geplätscher die Bühne einnehmen. Es wird gerockt. Mit rauer Stimme gesungen. Bässe wummern.

Für immer auf Tour? "Ja ich will"

Nur die Fans wollen da manchmal nicht so recht mitmachen: Album durchgehört, ja, mehrfach. Sich reingehört? Na ja. Gerade die alten melancholischeren Songs werden genannt, wenn es darum geht, was die Eels ausmacht. Also wird nach "Bombs away", dem ersten Song von "Wonderful, glorious", reichlich geklatscht und sogar ein bisschen gejubelt. Euphorie sieht anders aus - womöglich liegt das auch ein bisschen am Ort. Ursprünglich sollte das Konzert in der Muffathalle stattfinden, wurde dann aber erst in die Tonhalle und schließlich ins große Zenith verlegt. Wie gut, dass sich die Eels um all das nicht scheren.

Die folgenden Songs, fast allesamt vom neuen Album, plätschern zwar zunächst auch nur so dahin - doch dem von der Bühne ausgehenden Sog guter Stimmung kann sich auf Dauer niemand entziehen. Spätestens wenn "E" seinen Zuhörern in guter alter Tradition zusäuselt: "You're collectively my Schatzi" - aus seinem Mund klingt der Kosename nicht mal ansatzweise abgedroschen. Und als er und der Gitarrist Chet Lyster, alias "the Chet", ihr Tourversprechen mit einem "Ja, ich will" und dem "Secret-Eels-handshake" erneuern, werden wohl die letzten Skeptiker schwach und haben zumindest heimlich Spaß.

Zur Belohnung ein paar alte Songs

Zur Belohnung gibt es dann auch alte Songs, etwa "Fresh Feeling" vom Album "Souljacker" aus dem Jahr 2001. Oder "Fresh Blood" und "In my dreams" vom 2009 erschienenen Album "Hombre Lobo", das zugleich der Auftakt einer bemerkenswerten Album-Trilogie war. Da ist er wieder, dieser Hauch Melancholie. So wie es die treuen Fans gewohnt sind, klingen die Lieder aber nicht. Und das kommt nicht allein vom Unterschied zwischen Live- und Studiosound.

Vielmehr hat das Kreativbündel Everett selbst zig Variationen zu seinen eigenen Songs komponiert - und dazu schon ganze eigenständige Alben herausgebracht, etwa "Useless Trinkets" mit 50 Auskopplungen, B-Seiten, Neuinterpretationen und Remixes. Teils hat Everett alte Songs alleine noch mal aufgenommen, teils mit Freunden neu interpretiert. Bei jedem Song beweist er - auf dem Album wie auf der Bühne - was für ein vielseitiger Musiker er ist. Was er an diesem Abend schon längst bewiesen hat: sein Talent zur Rampensau.

Konsequenterweise spielen die Eels dieses Talent am Ende des Auftritts noch mal aus: Nachdem sie bereits zweimal wieder auf die Bühne gekommen waren, mehrere alte Songs ausgepackt und das Publikum doch noch zum Schwelgen gebracht haben. Nachdem die Lichter im Zenith schon an und die meisten Fans draußen waren. Da kommen sie tatsächlich noch ein letztes Mal zurück: "Dog faced boy" schallt durch die Halle. Da ist dann die Euphorie.

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