Wie bei der Mafia:Auftragsschläger verprügelt Kirchseeoner und will von ihm dafür bezahlt werden

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Gewaltbereit und unbelehrbar hat sich ein Münchner am Erdinger Bahnhof gezeigt. Am Ende wurde er eingesperrt. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Zwei Münchner engagieren einen Geldeintreiber, der einen 49-Jährigen vor dessen Haus schwer verletzt. Wieder bei Bewusstsein, bekommt der blutende Mann eine Rechnung serviert.

Aus dem Gericht von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Es ist ein Sommerabend, als die Männer das Grundstück ihres Opfers betreten. Victor S. der eigentlich anders heißt, sitzt mit seiner Lebensgefährtin im Garten, als Tibor K., 53, Gyula A., 61, und ihr Geldeintreiber auftauchen. Dessen Faust trifft S. so heftig und unvermittelt ins Gesicht, dass er zu Boden geht und bewusstlos liegen bleibt. Der Auftragseintreiber schlägt den Kopf des 49-Jährigen noch zweimal auf den Kiesboden, dann tragen die drei Eindringlinge ihn ins Wohnzimmer. Wieder bei Bewusstsein wird S. gezwungen, einen Kaufvertrag und einen Schuldschein zu unterschreiben. Außerdem soll S. die Aufwandsentschädigung für den Mann bezahlen, der ihn gerade beinahe totgeprügelt hat.

Die Szenen, die am Mittwoch im Amtsgericht Ebersberg rekonstruiert wurden, erinnern an italienische Mafiosi-Filme. Was sich am Abend des 10. Juli 2014 auf dem Grundstück von Victor S. abspielte, ist jedoch real und passierte mitten in Oberbayern, in Kirchseeon im Landkreis Ebersberg. Angeklagt waren zwei Münchner, die den unbekannten Schläger wohl engagiert hatten.

Weil bei beiden Fluchtgefahr und dringender Tatverdacht besteht, erteilte das Schöffengericht schließlich Haftbefehl. Wegen "schwerer Körperverletzung, schweren Menschenraubs und besonders schwerer räuberischer Erpressung" droht den beiden im Falle einer Verurteilung eine Gefängnisstrafe von mindestens fünf Jahren. Es könnten auch "deutlich mehr" werden, sagte Richter Markus Nikol. Entscheiden muss jetzt das Landgericht München II.

Was war genau passiert? Das Schöffengericht stützte sich auf die Zeugenaussagen jenes Polizeibeamten, der vor zweieinhalb Jahren den Tatort untersuchte und S. nach dessen Krankenhausaufenthalt vernommen hatte. Aus seinen Erzählungen und den Akten von Staatsanwalt Florian Schweyer ging hervor, dass Victor S. die beiden Handwerker A. und K. seit längerem kannte.

Es ging um 10 000 Euro

Es ergab sich ein vages Bild, wonach die drei in irgendeiner Form geschäftlich miteinander zu tun hatten. Womöglich, so hieß es, kam es dabei zu Unstimmigkeiten bei Abrechnungen von Löhnen. S. hatte in seiner Vernehmung durchklingen lassen, dass er A. und K. - aus deren Sicht - Geld schulde, die Rede war von 10 000 Euro. Genauere Hintergründe konnten Richter Nikol und seine beiden Schöffen am Mittwoch nicht klären. Wohl auch, weil verschiedene Faktoren die Beweisaufnahme erschwerten.

Während des knapp dreistündigen Strafprozesses kam es etwa zu keiner einzigen Aussage eines Augenzeugen. Weder das Opfer, dessen Lebensgefährtin noch deren Bruder, der sich zum Tatzeitpunkt ebenfalls in der Wohnung aufhielt, waren vorgeladen, was K.s Verteidiger Ahmed Adam scharf kritisierte. Alle drei waren zwar unmittelbar nach dem Vorfall vernommen worden, mittlerweile wohnen sie jedoch nicht mehr in Kirchseeon.

Die bisherigen Ermittlungen ergaben, dass sich die drei möglicherweise an verschiedenen Orten in Ungarn und Kanada aufhalten, wo genau, sei der Polizei nicht bekannt, hieß es. Der Ermittler im Zeugenstand erklärte, er habe mehrmals Wohnsitzabfragen gemacht, allerdings nur bayernweit. Rechtsanwalt Adam monierte, man habe sich zu wenig Mühe gegeben, die Zeugen zu finden. Die Angeklagten machten ihrerseits keine Angaben. Sie verfolgten den Prozess wortlos.

Sie drohten damit, das Haus anzuzünden und die Freundin zur Prostitution zu zwingen

Am Ende befand das Schöffengericht die Lage auch so für eindeutig genug. Demnach sollen A. und K. nicht nur Victor S. geschadet haben, sondern auch dessen Lebensgefährtin und ihrem Bruder. Im Wohnzimmer, so ergab die Vernehmung, warteten die beiden Münchner, bis S. wieder aufwachte, das dauerte zehn Minuten. Dann legten sie dem blutenden Mann ein handgeschriebenes Papier vor, das aus Sicht aller Beteiligten einem Schuldschein über 10 000 Euro entsprach. Auch wenn das rechtlich keine Gültigkeit hat, wie Richter Nikol klarmachte.

Schließlich, so ging es aus Vernehmungen der Geschädigten hervor, habe der Eintreiber den Zettel zerknüllt und einen zweiten "Schuldschein" geschrieben, diesmal über 12 000 Euro. Darin sei nun auch die Aufwandsentschädigung für den Einsatz des Auftragsschlägers mit inbegriffen, so erzählte es der ermittelnde Polizist im Zeugenstand. S.' Lebensgefährtin und deren Bruder wurden schließlich dazu gezwungen, den Zettel ebenfalls zu unterschreiben, als Bürgen. Ansonsten, so die Drohung, würde man die Freundin zur Prostitution zwingen und das Haus anzünden.

Victor S. kam mit einem Hämatom und einem mittelschweren Schädel-Hirn-Trauma ins Krankenhaus. Es sei "billigend in Kauf genommen" worden, so Richter Nikol, dass es zu "lebensgefährlichen Hirnblutungen" komme. Weil die Mindeststrafe im Falle einer Verurteilung über vier Jahren Gefängnis liegt, ist das Amtsgericht hier nicht mehr befugt. Über Verurteilung und Strafmaß entscheidet nun die Strafkammer des Landgerichts München II. Vier Polizisten nahmen A. und K. noch im Gerichtssaal fest. Bis zum Prozess bleiben sie in Untersuchungshaft.

© SZ vom 02.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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