Staudham:Gaudi-Nachtisch im Bierbiotop

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Dem bairischen Volk aufs Maul geschaut: Constanze Baruschke und Steps Lossin bei ihrer "Theater-Komedi" im Biergarten in Staudham. (Foto: Christian Endt)

Die Theater-Komedi "Schwoamas owi!" von Jörg Herwegh in Staudham erfrischt und unterhält

Von Ulrich Pfaffenberger, Staudham

Nach dem Sonntagsschnitzel ein Gaudium, das hört sich verlockend an. Einzig der Schauplatz bricht mit Gewohnheiten, vollzieht sich der Genuss für Gaumen und Gehirn doch nicht im heimischen Wohnzimmer, sondern im Innenhof der Landwirtschaft in Staudham an der B 304. "Schwoamas owi!" haben Constanze Baruschke, Steps Lossin und Jörg Herwegh ihr Programm überschrieben, das sich alsbald als gar kein Programm erweist, sondern als Fortsetzung alltäglichen Biergartelns mit komödiantischen Mitteln. Ganz genau haben sie hingesehen und hingehört, was an den Nebentischen so vor sich geht - und die Ergebnisse ihrer Beobachtungen zu einem kabarettistischen Menü zusammengefasst. Abgesehen vom komödienstadelesken, zwanghaft gesprächssüchtigen Preiß'n, der nach drei Jahrzehnten Immobilienbesitz am Chiemsee nun die Gegend erkunden will und an der interkulturellen Mauer bairischer Nicht-Redensart scheitert - also abgesehen von ihm sind die diversen Rollen im zweistündigen Szenarium so lebensnah glaubwürdig, dass sie einem in jedem Gasthausbiotop begegnen könnten. Das lassen die von Alkoholzufuhr, Meinungsfreude und Lebenslust geprägten Gesetze der biergartenkommunikativen Evolution gar nicht anders zu.

Mit der Qualität der Scherze und Gags beim komödiantischen Nachtisch verhält es sich logischerweise ähnlich wie mit der Bestückung eines Büffets, auf dem neben dem Vitello Tonnato der Fleischsalat steht: Einige der servierten Witze und Wortspiele sind seit Generationen gut abgehangen, manche noch immer gut verzehrbar, manche eher fad. Einige sind als Variation neu komponiert, à la mode mit neuen Zutaten versehen und kitzeln das Zwerchfell mal stärker, mal schwächer. Wieder andere ziehen hier Biss und Schärfe, dort harmlose Lacher aus der aktuellen Ernte im dicht bewachsenen Gemüsegarten der Torheiten und Irrungen unserer Tage. In der Summe ergibt sich ein gut verdauliches, appetit- respektive applausanregendes Menü, das die anwesende Gemeinde der Gaudi-Gourmets entspannt genießt.

Wobei man das Trio auf der Biergarten-Bühne nicht aufs heitere Fach reduzieren darf. Die Art und Weise wie zwei Sechzger-Fans mit dem Schicksal ihres Vereins und der zu Provinzreisen verdammten Anhängerschar umgehen, ist einer griechischen Tragödie würdig. Die Suche nach Großstadien, die sich als schmalbrüstige Bolzplätze entpuppen, verbunden mit der Hoffnung zur Rückkehr alter Größe hat etwas von "Warten auf Godot". Weltschmerz, gebündelt in Gedanken- und Körperhaltung, artikuliert mit quälend verzerrter Mimik, gleichzeitig brennend vor enttäuschter Liebe und verzweifelter Hoffnung: Das ist keine Episode im Programm mehr, das ist ein Kulminationspunkt biertischgeschwängerter Volksphilosophie, deren Güte - rein ligatechnisch gesehen - im diametralen Gegensatz zum Verein des Herzens steht.

Bei ausgiebigen Anleihen aus der Hausmannskost des Volkstheaters versteht es das Trio gleichwohl, seine Rezepturen mit anspruchsvollen Ingredienzien zu verfeinern: Das filigrane Sprachkunstwerk zum ehelichen Einkaufserlebnis oder die valentineske Deutung von Andreas Gabalier fürs moderne Kunstverständnis zeugen von kabarettistischer Klasse. Skurrile Kostüm- und Rollenwechsel zugunsten überraschender Gastauftritte belegen ein ausgeprägtes Verständnis für spannungsreiche Dramaturgie, dieweil der Griff in die Klamauk-Klamottenkiste erfreulicherweise oft unterbleibt. Das ist ehrenwert, weil sich die Drei von der Biertankstelle bei zwölf Euro Eintritt ohne großen Widerspruch hätten auch im Billigregal bedienen dürfen. Als Kriterium für die Qualität des Auftritts dürfen dabei sowohl die Darstellung zweier zunehmend Betrunkener als auch der Schlagabtausch in Zeitlupe gelten: An solchen Szenen arbeiten sich Laientheater immer wieder und in der Regel mit albernem Ergebnis ab. Am Sonntagnachmittag in Staudham war beides in vollendeter Form zu sehen. Weshalb das Publikum mit Trinkgeld in Applausform auch höchst großzügig umging.

Biergarten-Theater-Komedi "Schwoamas owi!" in der Landwirtschaft Staudham, weitere Termine: sonntags, 6. und 13. August, jeweils 14 Uhr.

© SZ vom 25.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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