Sensibles Thema:Wer eine Stelle nicht antritt, verliert Geld

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Alle Kunden des Jobscenters müssen eine Eingliederungsvereinbarung unterschreiben - und sich an ihren Teil halten. (Foto: Symbolfoto: Peter Hinz-Rosin)

Die Zahl der Sanktionen, die das Ebersberger Jobcenter verhängen muss, bleibt auf stabilem Niveau. In schwierigen Fällen ist auch mal ein Sozialermittler im Einsatz

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Dieser Mann gab den Mitarbeitern des Ebersberger Jobcenters wirklich Rätsel auf. Er war gut gekleidet, wirkte motiviert und aufmerksam und brachte stets vollständig ausgefüllte Dokumente mit. Doch wenn er sich bei Arbeitgebern vorstellen sollte, ließ er die Termine immer wieder platzen. Den Mitarbeitern blieb nichts anderes übrig, sie kürzten seine Bezüge. Doch später stellte sich heraus, dass der Mann Analphabet war - er traute sich den Neustart einfach nicht zu. "Wir waren froh, dass wir das doch noch herausgefunden haben, dann konnten wir ihm endlich wirklich helfen", sagt Hermann Schmidbartl, Chef des Jobcenters.

Er erzählt diese Geschichte auch, um deutlich zu machen, wie schwierig das Thema Sanktionen im Jobcenter ist und wie sensibel man damit umgehen muss. "Sanktionen sind für uns ein Nebengeschäft. Das Hauptgeschäft ist, dass wir unsere Kunden so weit bringen, dass sie eine Arbeit aufnehmen", erläutert er. Während bundesweit die Zahl der Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger stiegen - monatlich waren im vergangenen Jahr 134 390 Menschen von Leistungskürzungen betroffen, im Jahr zuvor nur 131 520 - bleibt das Niveau laut Schmidbartl im Landkreis etwa gleich. Von November 2015 bis Oktober 2016 seien insgesamt 250 Sanktionen verhängt worden. Dies entspreche in etwa den Zahlen der Vorjahre, so der Leiter des Jobcenters, es gebe nur minimale Veränderungen nach oben, was aber auch mit der gestiegenen Zahl der Kunden zu tun hat. Derzeit hat das Jobcenter 1800 Erwerbsfähige in der Kartei.

Die meisten Sanktionen - insgesamt 180 - mussten wegen so genannten Meldeversäumnissen ausgesprochen werden. Das ist beispielsweise der Fall, wenn für den Betroffenen eine Qualifikationsmaßnahme vorgesehen ist, er aber unentschuldigt nicht bei dem Termin erscheint. Nur "wichtige Gründe" rechtfertigten hier ein Fernbleiben, so Schmidbartl, das könne etwa eine Erkrankung, ein Vorstellungsgespräch oder ein unaufschiebbarer Arzttermin sein, doch auch in solchen Fällen sei ein stichhaltiger Nachweis notwendig.

Weitere 60 Mal kürzten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jobcenters die Bezüge ihrer Kunden, weil diese sich nicht an die Vorgaben in ihrer Eingliederungsvereinbarung hielten. Eine Eingliederungsvereinbarung schließt das Jobcenter zu Beginn der Zusammenarbeit mit dem Arbeitssuchenden. Festgelegt wird dabei auch, welches Engagement das Jobcenter von seinem Kunden erwartet: regelmäßige Arztbesuche oder das Verfassen von Eigenbewerbungen beispielsweise. Kommt der Arbeitssuchende seinem Teil der Abmachung nicht nach, ist das Jobcenter gehalten, die Bezüge zu kürzen. Wie deutlich es den Hartz-IV-Beziehern ans Geld geht, ist unterschiedlich. Wer zum ersten Mal beispielsweise eine Maßnahme nicht antritt, hat die nächsten drei Monate zehn Prozent weniger Geld auf dem Konto. 30 Prozent beträgt die Kürzung, wenn ein Kunde des Jobcenters beispielsweise einen Job nicht antritt. Passiert das in einem gewissen Zeitraum nochmals, werden es schon 60 Prozent. In sehr gravierenden Fällen ist es auch möglich, dass das Jobcenter die Bezüge ganz streicht. "Das kommt sehr selten vor, mehr als eine Handvoll ist das nicht", unterstreicht Schmidbartl. Die Kürzungen betreffen, so der Chef des Jobcenters, immer nur den Kunden selbst. Falls dieser Kinder habe, werde deren eigener Satz nicht gekürzt - freilich ist in diesen Fällen auch nicht nachzuweisen, dass der Sanktionierte nicht vielleicht doch das Geld für sich selbst verwendet. "Das ist ein schwieriges Thema", räumt Schmidbartl ein.

Immer wieder bekommt das Jobcenter Hinweise aus der Bevölkerung, dass ein Hartz-IV-Bezieher zu Unrecht Leistungen beziehen soll. Anonymen Hinweisen gehe man nicht nach, sagt Schmidbartl. Wenn aber der Hinweisgeber bekannt sei, und man auch vermute, dass hinter seinen Beschuldigungen etwas stecken könnte, prüfe man den Fall. Dann ist immer wieder auch ein Sozialermittler fürs Jobcenter im Einsatz. Der ehemalige Verwaltungsbeamte, der auf 450-Euro-Basis arbeitet, schaut in fragwürdigen Fällen auch mal bei den Betroffenen daheim vorbei. Allerdings, so Schmidbartl, sind die Möglichkeiten des Sozialermittlers beschränkt: Er darf weder so etwas wie Polizeiarbeit leisten noch beispielsweise die Nachbarn befragen. "Da gilt absoluter Sozialdatenschutz", so Schmidbartl. So sei der Sozialermittler vor allem auf die freiwillige Mitwirkung der Kunden angewiesen.

© SZ vom 21.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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