Prozess vor dem Amtsgericht:Klassenfahrt mit Folgen

Lesezeit: 2 min

Ein 29-Jähriger wird zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er Marihuana an eine Minderjährige verkauft hat

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Der erste Eindruck soll ja dasjenige sein, was wirklich zählt. Falls das stimmt, dann scheint der erste Eindruck einer 16-jährigen Zeugin vor dem Ebersberger Amtsgericht ziemlich misslungen zu sein: Erst wollte sie gar nichts sagen, dann sagte sie ein bisschen etwas, bevor sie letztlich in ein "Ich-weiß-es-nicht"-Mantra verfiel. So schaffte sie es, ein Verfahren in die Länge zu ziehen, bei dem es gar nicht um sie, sondern um einen 29-jährigen Angeklagten aus dem westlichen Landkreis ging. Ihm warf die Staatsanwaltschaft vor, an die damals noch 15-jährige Zeugin 0,3 Gramm Marihuana verkauft zu haben und darüber hinaus zirka fünf Gramm Marihuana mit dem Ziel besessen zu haben, es weiterzuverkaufen.

Zunächst bestritt der 29-Jährige pauschal, mit Marihuana gehandelt zu haben - so auch einen Verkauf an die minderjährige Zeugin, um den es vor Gericht im ersten Anklagepunkt ging. Die Drogen habe er zum Eigenbedarf erworben, ließ er über seinen Anwalt Florian Alte ausrichten.

Als Hauptzeugin war die 16-Jährige geladen, die während einer Klassenfahrt mit Marihuana erwischt wurde. Bei einer anschließenden Vernehmung bei der Poinger Polizeiinspektion gab sie zunächst an, die Kontaktdaten ihres Verkäufers gelöscht zu haben. Das sagte der mittlerweile pensionierte Polizeibeamte, der für den Fall zuständig war, vor Gericht aus. Am Tag nach der Vernehmung habe die Mutter der 16-Jährigen noch einmal angerufen und gesagt, "dass sie nun doch eine Handynummer rausgerückt hat". Diese Nummer führte zum Mobiltelefon des Beschuldigten.

Das Gericht wollte herauszufinden, ob die Zeugin das Marihuana tatsächlich bei dem 29-Jährigen erworben hatte - dementsprechend fragte Richter Markus Nikol, ob sie den Angeklagten kenne. Die 16-Jährige verweigerte eine Aussage. Ein solches Recht steht jedem zu, der sich mit einer Aussage selbst juristisch belasten würde. Die Frage, die Richter Nikol, die Staatsanwaltschaft, den Verteidiger und die beiden Schöffinnen beschäftigte, war nun, ob das bei der Zeugin hier überhaupt zutraf. Derzeit laufen zwar gleich mehrere Verfahren gegen das Mädchen, bei denen es um Drogendelikte geht. Entscheidend war aber, ob das Verfahren, das den Marihuanakauf von dem 29-Jährigen betraf, überhaupt noch offen ist.

Nach einem Anruf des Staatsanwalts bei seinen Kollegen war klar: Das Verfahren ist bereits eingestellt; dass sich die 16-Jährige in diesem Falle noch selbst belasten könnte damit unmöglich - sie musste aussagen.

Das tat sie dann auch: Die Handynummer des Beschuldigten? Kam von einer Freundin. Woher hatte die Freundin die Nummer? Wisse sie nicht. Sie habe die Nummer gelöscht, bevor sie diese der Polizei gab. Wie konnte sie dann zur Polizei gelangen? Eine Zettelnotiz. Ein einziges Mal habe sie sich mit dem 29-Jährigen getroffen. Um welche Tageszeit? Wisse sie nicht. Wie viel Zeit verging zwischen Telefonat und Treffen? Wisse sie nicht. Bei der Polizei sagte sie, es wären 20 Minuten gewesen, stimmt das? Wisse sie nicht. In welcher Sprache kommunizierte sie mit dem Beschuldigten? Deutsch. Obwohl er kaum Deutsch spricht? Vielleicht war es auch Englisch, meistens war es Englisch. Wirklich? Sie wisse es nicht mehr.

"Was meinst du, was das bei den Richtern der anderen Verfahren für einen Eindruck macht, wenn sie im Protokoll lesen, dass du hier so rumeierst?" Eine rhetorische Frage des Staatsanwaltes. Es folgte eine lange Stille. Und schließlich doch noch eine kleinlaute Antwort: Ein Mix aus Englisch und Deutsch, mehrmalige Treffen mit mehrmaligem Kauf von Marihuana.

Das überzeugte das Gericht letztlich davon, dass der Angeklagte die Drogen nicht nur zum Eigenbedarf besaß, sondern sie auch verkaufte, unter anderem an die 16-Jährige. Der 29-Jährige gestand schlussendlich. Er wurde zu einer Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wird, und zu 200 Sozialstunden.

© SZ vom 28.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: