Premiere im Alten Speicher:Wenn die Trompete mit dem Cello tanzt

Lesezeit: 3 min

Feiern und Tanzen ist angesagt beim ersten "Swing Special" des "Grafinger Jugendorchesters" im Ebersberger Alten Speicher. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Party vor und auf der Bühne beim ersten "Swing Special" des "Grafinger Jugendorchesters"

Von Theresa Parstorfer, Ebersberg

Um kurz vor halb zehn am Montag Abend schickt Philipp Gassert das Publikum im Alten Speicher in Ebersberg in die zweite Pause, denn "ich habe mich völlig verausgabt", sagt er. In mittlerweile langjähriger Tradition moderiert der ehemalige Schüler des Grafinger Gymnasiums auch diesen Abend des Grafinger Jugendorchesters (GJO) unter Leitung von Hedwig Gruber. Auch dieses Mal gibt Gassert sich gewohnt lässig und ist nie um einen selbstsicheren Witz verlegen.

Doch vom Moderieren allein kann der junge Mann nach kaum zwei Stunden noch nicht so erschöpft sein, dass eine weitere Pause her muss. Nein, Gassert - und auch so manch andere im Publikum - ist erschöpft vom Tanzen, denn das hat er schon ausführlich getan, ganz ohne Fliege, wie er das Publikum wissen lässt. Grund für das rhythmische Zappeln und das Fehlen des klassischen modischen Accessoires ist, dass der Alte Speicher an diesem Abend nicht als traditioneller Konzertsaal fungiert wie bei den übrigen Aufführungen des diesjährigen Programms "Luna". Nein, an diesem Montag wird erstmals ein "Swing Special" zum Besten gegeben, bei dem das Publikum selbst "die Sau rauslassen" soll, so Gassert zur Begrüßung.

An diesem zusätzlichen Abend will das Ensemble, die GJO-Combo, einen Einblick gewähren, in die Parties, die die Musiker seit Jahren halt so feiern, wenn sie unter sich sind. Nach den Proben des Orchesters, nach den Vorstellungen, aber auch währenddessen, so Gassert. Denn letztendlich sei ja jedes Konzert des Jugendorchesters ein rauschendes Fest. Das sieht man auch der etwas kleineren - aber immer noch um die 30 Musiker umfassenden - Besetzung an: Die Instrumentalisten und Sänger aller Altersgruppen spielen nicht jeder für sich brav seinen Part, nein, sie schauen sich an, sie zwinkern sich zu, sie lachen auf und johlen nach jedem Solo, tanzen quasi schon auf der Bühne, mit der Trompete in der Hand, dem Cello zwischen den Knien.

Keine zwei Stunden zuvor: Einlass. Der Ebersberger Saal ist von Stuhlreihen befreit worden, lediglich ein paar Stehtische dienen als Abstellfläche für Getränke. Bereits eine halbe Stunde vor Beginn ist so viel los, dass niemand sich merkwürdig vorzukommen braucht, wenn er keinen Platz an einem der Tische ergattert und sich deshalb in der Mitte der Tanzfläche aufhalten muss. Und spätestens beim zweiten Song "Box of Secrets", gesungen von Amelie Jost in blauem Glitzerkleid, kann sich ohnehin niemand im Publikum mehr still halten. Es wird gewippt, genickt, gesteppt und tatsächlich richtig getanzt, allein oder mit Partner.

Lilian Busse, 25, und Daniel Du Buvis, 19, sind eines der herausragenden Paare des Abends, und das nicht nur, weil sie sich passend zum Swing-Thema in Sechziger-Jahre-Outfits geschmissen haben: Lilian in einem roten Kleid mit weißen Punkten, Daniel in Lederschuhen und Weste, jiven und swingen sie gekonnt umeinander. Und das, obwohl sie gar nicht von hier, sondern zum ersten Mal in Ebersberg sind. Über ihren Kommilitonen Florian Stürzer, der gerade auf der Bühne sein Akkordeon zum Klingen bringt, haben sie vom Jugendorchester und der Swing-Combo erfahren. "Das ist supercool", sagt Lilian, ihre Wangen passend zur Kleidfarbe etwas gerötet. Sie und Daniel tanzen erst zum zweiten Mal miteinander, doch es klappt so gut, dass sie gar nicht mehr aufhören wollen.

Peppig, jazzig und mit unglaublich starken Stimmen geht der Abend los, bevor es kurz vor der zweiten Pause mit Stücken wie "That's Right" und "Setting me free" auch herzzerreißend schön und balladesk wird. Abwechselnd singen Amelie Jost, Hannah Kreck, Kilian Berger und Harutjun Katchatrian unterstützt von Teresa Gruber. Zu hören gibt es Lieder wie "Boogie Woogie Bar-B-Q", "Via con me" oder "Beehive". Alle Musiker sind dabei so umwerfend gut, als würden sie nie etwas anderes machen als Swing-Konzerte zu geben. Tun sie aber - Schule oder Studium in München oder noch weiter weg. Für das Jugendorchester und Hedwig Gruber kommen sie jedoch alle wieder heim. Philipp Gassert stellt nach jedem Song ein paar Musiker vor, jedes Mal gibt es tosenden Beifall.

Gut für alle, dass es nach der zweiten Pause, in der der Moderator sich soweit erholt hat, dass er den runden Geburtstag eines Ensemblemitglieds ankündigen kann, noch weitergeht. Diesmal mit noch einmal verkleinerter Besetzung: Aus lediglich vier Musikern besteht das Café Jagdhaus, doch auch dieses Ensemble bringt den Saal mit seinen Blasinstrumenten und kräftigen Stimmen zum Dröhnen, so dass nicht nur Lilian und Daniel swingen und jiven und hoppen. Gut, dass die beiden Studenten mit dem Auto da sind, denn wer weiß, wie lange die Party noch dauern und ob die S-Bahn am Ende überhaupt noch fahren wird.

© SZ vom 27.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: