Porträt:Der Ruhepol ohne Eitelkeiten

Porträt: Sepp Carpus will sich künftig wieder mehr um sein Fernsehgeschäft kümmern.

Sepp Carpus will sich künftig wieder mehr um sein Fernsehgeschäft kümmern.

(Foto: Christian Endt)

Nach sechs Jahren tritt Sepp Carpus als Grafinger CSU-Vorsitzender ab. Mit seiner unaufgeregten Art gelang ihm etwas, woran seine drei Vorgänger stets scheiterten.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Vor ein paar Jahren noch, da war die Grafinger CSU bis hinauf in die Landesleitung bestens bekannt. Als heillos zerstrittener Ortsverband, in dem man vor Parteigremien einander des Wahlbetrugs bezichtigte und vor dem Amtsgericht der Verleumdung. Vorsitzender Thomas Huber packte einst seine Sachen, schlau genug, dass der Posten für die weitere Politkarriere hinderlich wäre. Die ständigen Attacken aus dem erzkonservativen Flügel satt, trat Nachfolgerin Susanne Linhart frustriert ab. Max Graf von Rechberg wollte wegen "internen Geschichten" gar schon nach zwei Jahren nicht mehr. Dann kam, im Frühjahr 2011, Sepp Carpus. Die CSU-Mitglieder würden ihn gerne für weitere zwei Jahre wählen. Aber Carpus will nicht.

"Eine schöne Zeit war's, aber jetzt langt's auch mal", sagte der Fernsehtechniker vor ein paar Tagen. Im Geschäft stehe eine Menge Arbeit an. Er feiere bald seinen 60. Geburtstag. Jemand jüngeres an der Spitze des Ortsverbands sei sicher nicht verkehrt. Außerdem: Er sei ja nicht weg. Nur halt nicht mehr ganz vorne dran.

Die Art des Abgangs passt gut zu jener Weise, wie Carpus den Ortsverband all die Jahre führte: ohne viel Aufhebens um sich selbst. Ohne das Selbstverständnis eines Unersetzlichen. Stattdessen als einer, der das Wohl von Ortsverband und Stadt vors eigene Ego stellte.

Als die CSU zum Beispiel im Jahr 2013 die Nachfolge des damaligen Bürgermeisters Rudolf Heiler (Freie Wähler) diskutierte, hätte Carpus nur rufen müssen. Das sogenannte Erstzugriffsrecht für die Kandidatur lag bei ihm als Ortsvorsitzendem. Aber er schüttelte den Kopf. "Das soll die Susanne machen." Linhart bringe schließlich zehn Jahre Erfahrung als zweite Grafinger Bürgermeisterin mit. Er kenne sich eher mit Fernsehern aus.

"Mit Haudrauf- und Schubladenmentalität kann ich mich nicht identifizieren"

Aber eben auch damit, wie wichtig Zwischenmenschlichkeit für erfolgreichen Politbusiness ist. "Mit Haudrauf- und Schubladenmentalität kann ich mich nicht identifizieren", sagte Carpus bei seiner Antrittsrede. Er werde niemandem vorschreiben, "für was er zu sein hat oder was er zu denken hat". Damit war auch ausdrücklich der Maulkorb aufgehoben, der in den beiden Jahren zuvor für Mitglieder aus Vorstand und Fraktion etwa gegenüber den Lokalzeitungen gegolten hatte. Vielmehr seien Offenheit, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit die neuen Prämissen des Grafinger CSU-Politikstils.

Porträt: Als Chef des CSU-Ortsverbandes hat der Grafinger CSU-Vorsitzende Sepp Carpus nie die erste Geige spielen müssen: Die Bürgermeisterkandidatur überließ er Susanne Linhart.

Als Chef des CSU-Ortsverbandes hat der Grafinger CSU-Vorsitzende Sepp Carpus nie die erste Geige spielen müssen: Die Bürgermeisterkandidatur überließ er Susanne Linhart.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Den neuen Politikstil konnte Carpus früher unter Beweis stellen, als ihm lieb war. Nämlich, als sein Fraktionskollege Josef Pollinger im Gewerbegebiet schwarz seine Spenglerei vergrößerte. Während man im Stadtrat darauf spekulierte, die CSU werde den Anbau in alter Amigo-Tradition nachträglich genehmigen, machte Carpus das Gegenteil: Der Schwarzbau sei selbstverständlich wieder zurückzubauen.

Als wenig später der städtebauliche Vertrag über die "Wolfsschlucht" per Handstreich durch den Stadtrat gedrückt werden sollte, stellte sich Carpus - gemeinsam mit Anja Walz - quer. Einem Vertrag, den er vorher nicht gelesen habe, werde er nicht zustimmen. Ende der Durchsage, bitte im nächsten Monat noch mal. Die Verzögerung ging zu Lasten des "Wolfsschlucht"-Eigentümers und Carpus' Stellvertreter Max Josef Schlederer. Eine Rolle spielte das für den CSU-Vorsitzenden nicht.

Porträt: Der Gewinnerin der Wahl, Angelika Obermayr, gratulierte Sepp Carpus ehrlich.

Der Gewinnerin der Wahl, Angelika Obermayr, gratulierte Sepp Carpus ehrlich.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

So waren seine beiden Wiederwahlen ohne eine einzige Gegenstimme immer auch Dank. Dafür, dass sich die Sätze über Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit nicht als Worthülsen herausstellten. Fürs Normalo-Dasein ohne Etiketten, fürs im Mittelpunkt stehen, ohne sich dorthin zu drängeln. Dafür, dass auch beim Ministerbesuch noch Schnittlauch- und Schmalzbrote am Buffet liegen und keine Quiche-Eckchen und Gemüsefrühlingsröllchen. Und einer die Coolness mitbringt, beim Neujahrsempfang erst den Pfarrer und dann den CSU-Minister zu begrüßen - ein Novum für eine so hierarchisch organisierte Volkspartei wie die CSU.

Verbindung zu Marcel Huber

An dieses Auftreten authentisch anzuknüpfen, ist vom 17. Mai an, wenn auf der Jahreshauptversammlung der Grafinger CSU ein neuer Vorstand gewählt wird, Aufgabe von Carpus' Nachfolger. Das birgt auch für die Grünen und deren Bürgermeisterin Angelika Obermayr eine gewisse Spannung. Wen auch immer die CSU in gut drei Wochen an ihre Spitze wählt - die Abstimmung ist so etwas wie der erste Schritt zur Krönung des CSU-Bürgermeisterkandidaten oder der Kandidatin 2020.

Kaum denkbar schließlich, dass die Partei jetzt einen neuen Chef oder eine neue Chefin wählt und dann zum Wahlkampf wieder auswechselt. Dessen Auftakt jedenfalls fällt just in den Frühsommer 2019, an dem auch bei der Grafinger CSU die nächsten turnusgemäßen Neuwahlen anstehen.

Der Minister übrigens, bei dem Carpus mit der Begrüßungs-Etikette brach, hieß Marcel Huber, inzwischen Leiter der Bayrischen Staatskanzlei. Als Vorsitzender des Katholischen Männervereins Tuntenhausen lasse er dem Pfarrer freilich gerne den Vortritt, witzelte Huber. Dann schob er über Carpus' Ortsverband nach: "Eine ganz sehenswerte Aufstellung habt ihr da." Das hätte sich ja mittlerweile bis in die Staatsregierung herumgesprochen.

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