Politische Satire:Ein Wutbürger mit Humor

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Drei Stunden ackert sich Kabarettist Urbal Priol im Alten Speicher durch sein Programm. Er schimpft über gestern, heute und morgen - und erntet johlendes Gelächter und donnernden Applaus

Von Annalena Ehrlicher, Ebersberg

Wenn Urban Priol die Bühne betritt, bringt er neben seinen Markenzeichen - Sturmfrisur und Weißbierglas - mehr als drei Jahrzehnte Erfahrung im Politkabarett mit sich: "Angefangen hab' ich mit Kohl, enden werd' ich wohl mit seinem Mädchen", fasst der Satiriker zusammen und erntet johlendes Gelächter. Der Alte Speicher Ebersberg ist voll am Freitagabend und summt in der Erwartung eines Abends voll bitterböser Pointen, vor allem natürlich gegen die Bundesregierung.

Das Publikum kennt und schätzt Priol. "Der haut halt auch mal auf den Putz", sagt ein Zuschauer wohlwollend - und belohnt ihn immer wieder mit donnerndem Applaus. Fast drei Stunden dauert das Programm, das der Satiriker in teils atemberaubender Geschwindigkeit auf sein Publikum niederprasseln lässt - bis zum Schluss hält der 57-Jährige seinen eigenen Rhythmus durch und wird dafür gefeiert.

Der Abend ist nicht chronologisch geordnet, sondern verläuft eher in frei assoziierten Wellenbewegungen, die früher oder später jedoch meistens wieder bei Angela Merkel landen. "Uns ging es doch so gut in den sechs Monaten ohne Regierung", sagt Priol mit sehnsüchtigem Seufzen. Und dann steige da plötzlich weißer Rauch auf und es heiße "Habemus Groko". Blitzschnell schließt er unterfränkisch an: "Ja, habe muss ich des ned noche mol". Das Publikum tobt. Der Verweis auf die Stadt des Heiligen Vaters lässt sich für Priols Programm fast poetologisch lesen, nur dass bei ihm nicht alle Wege nach Rom, sondern nach Berlin führen.

Urban Priol präsentiert bitterböse Pointen in einem Stakkato ständig wechselnder Sprachformen und schauspielerischer Einschübe. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

"Ah ja, die Kanzlerin - auf die komme ich heute Abend noch ein paar Mal zu sprechen", verspricht er süffisant und erntet Szenenapplaus. Selbst der derbste Scherz ("Was will die Groko? Dynamik und Aufbruch - ja, das kennt der Jäger auch vom Wild!") wird mit Gelächter belohnt. Wenn die Kanzlerin, Horst Seehofer und Finanzminister Olaf Scholz mit lahmenden Pferden beim Gang zum Metzger verglichen werden, gibt es nur wenige im Publikum, die etwas verhalten lächeln.

Priols beißender Spott macht freilich nicht an den Landesgrenzen halt, auch das Weltgeschehen findet Einlass in sein Programm. "Unterfordert" fühle er sich als Kabarettist derzeit: "Was momentan in der Welt abgeht, ja, die schreiben mir täglich mein Programm", ruft er in den Saal. Der Präsident der Vereinigten Staaten wird konsequent als der "Irre aus Washington" beschrieben, der sich wohl einen Friseur mit Boris Johnson und Gert Wilders teile. Auch nach China wird ausgeteilt: Der chinesische Präsident Xi Jinping habe die Kanzlerin bei ihrem letzten Besuch beruhigt: "Keine Sorge, Menschenrechte kopieren wir nicht." Priol imitiert Jinping hierbei mit chinesischem Akzent.

Das Publikum kennt und schätzt den Satiriker. (Foto: Fotos: Christian Endt)

Viel, was hier auf die Bühne gebracht wird, ist weder neu, noch überraschend - und funktioniert dennoch, weil Priol ein ausgezeichnetes Gespür für sein Publikum hat. Da mag ihm seine Erfahrung als Taxifahrer helfen oder das jahrelange Training: dass er ein Profi ist, der weiß, was er tut, lässt sich nicht bestreiten. Interessanter - besser - ist Priol jedoch, wenn er blitzschnell aktuelle Begebenheiten aufgreift, diese einordnet und sie bitterböse kommentiert: So beispielsweise die Affäre, die dem Misstrauensvotum gegen den konservativen spanischen Regierungschef Mariano Rajoy voranging. Mehr als eine halbe Millionen Euro soll im Umfeld von Rajoy ("bei dem auf dem Schreibtisch stehen noch die Franco-Figuren") veruntreut worden sein: "Ja, so was gäb's bei uns natürlich nicht - außer vielleicht bei der CDU in den 80er Jahren", frohlockt Priol. Hier liegt die eigentliche Stärke des 57-Jährigen: Kontinuitäten und Parallelen im Weltgeschehen ausmachen, dabei genau hinsehen und Regierungsprogramme nicht nur überfliegen, sondern sie ernst nehmen und im Zweifel auch zwanzig Jahre später noch einmal anschauen.

Gerne würde man ein Bier mit dem Mann hinter der Kunstfigur trinken, um mehr über die klugen Zwischentöne zu erfahren, die zwischen den teils schlichten Effekthaschereien aufblitzen: Ja, Urban Priol ist ein ausgezeichneter Imitator, jemand der Kohls bräsiges Hessisch ebenso verkörpern kann wie die militärisch präzise Sprechweise einer Ursula von der Leyen. Jemand mit einem Ohr für Akzente, ob russisch oder italienisch. Das ist lustig und wird vom Publikum mit donnerndem Applaus belohnt. Aber ist das auch gut?

Während Priol sich über die Käuflichkeit einer bayerischen Landesregierung lustig macht ("Bei uns wird ned lang rumgeeiert, shoppen darf man vollverschleiert!"), hat er selbst keine Hemmungen, noch das billigste Klischee - den "Azuro"-singenden italienischen Fluglotsen ohne Englischkenntnisse - auszupacken, wenn das Publikum denn lacht. "Früher wollte ich der Don Corleone des Kabaretts sein. Heute bin ich eher ein Don Quijote", sagt er. Vielleicht muss man diese Aussage zu einem gewissen Grad ernstnehmen. Der Ritter von der traurigen Gestalt beendet sein Programm dementsprechend mit eher schwermütigen Tönen: "Wodka gut für Trallala, Liebe gut für Hopsassa. Viel mehr ist das Leben nicht." Nun ja.

© SZ vom 04.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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