Poing:Monotonie unerwünscht

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Mehr als ein Viertel der Ackerflächen im Landkreis werden mit Mais bewirtschaftet. Bei der Landesanstalt für Landwirtschaft in Grub erforscht man ökologischere Alternativen

Von Anselm Schindler, Poing

Bis weit ins 19. Jahrhundert war der Mais in den hiesigen Breitengraden für die Landwirtschaft unbedeutend, nicht einmal ein Prozent der Äcker waren dafür reserviert. Inzwischen aber hat sich der Mais in die bayerische Landschaft gefressen, "Vermaisung" nennen das Naturschützer. Auf den Landwirtschaftsflächen des Freistaates ragen auf mehr als einer halben Million Hektar Maispflanzen in die Höhe, und auch im Landkreis Ebersberg sind die Maisflächen seit dem vergangenen Jahr größer geworden - wenn auch nur marginal: Um 130 Hektar hat die Fläche heuer im Vergleich zu 2014 zugenommen, sie erreicht damit einen Rekordwert von knapp 4500 Hektar. Eine Fläche mehr als halb so groß wie der Chiemsee. So wie das bayerische Meer das Bild des Freistaates prägt, so prägt auch der Mais mittlerweile die Kulturlandschaft Bayerns. Er zehrt die Böden aus, erhöht die Hochwassergefahr und braucht zu viel Dünger, sagen die Kritiker.

Gesucht wird daher seit einigen Jahren nach effizienten Alternativen zum Mais, auch im Landkreis Ebersberg. In der Nähe der Versuchsstation Grub erforscht die Landeanstalt für Landwirtschaft, kurz LfL, Energiepflanzen, die den Mais ergänzen könnten. Hierfür hat der Freistaat Bayern, idyllisch gelegen zwischen Wäldern, am nordöstlichen Ortsrand von Poing einige Hektar Acker zur Verfügung gestellt. Es gehe dabei nicht darum, den Mais zu ersetzen, betont Dorothea Hofmann von der LfL: "Der Mais nutzt die Fläche am effektivsten." Es gehe vielmehr darum, den Mais in nachhaltige Fruchtfolgen zu stellen und die Landwirtschaft vielseitig zu gestalten.

Auch Wildblumen, die auf dem Versuchsfeld in Grub angebaut werden, können für die Biomasseproduktion genutzt werden. (Foto: Christian Endt)

Mit großen Schritten schreitet Dorothea Hofmann an einem der Versuchsfeldabschnitte entlang, in allen Farben gedeihen verschiedene Wildblumen. "Die können auch zur Biogasgewinnung verwendet werden", erklärt Hofmann, die im LfL die Arbeitsgruppe Biomasse leitet. Doch es gibt da einen Haken: Die Wildpflanzenmischungen, wie das blumige Wirrwarr in Fachkreisen bezeichnet wird, erreicht bei der Methangasproduktion nur rund fünfzig Prozent dessen, was sich aus dem Mais herausholen lässt. Rentabel ist das für Landwirte freilich nicht, über Ausgleichszahlungen könnte aber ein Anreiz zum Anbau geschaffen werden. Denn schließlich geht es um mehr als den Ertrag. Biodiversität lautet das Stichwort, denn auf den Maisfeldern ist es einsam geworden. Die Monokulturen bieten für viele Tier- und Pflanzenarten nicht den passenden Lebensraum. Um die vielseitige Flora und Fauna im Freistaat zu erhalten, gilt es daher, wegzukommen von den einseitigen Maisplantagen - zumindest auf einem Teil der Felder.

Der Landkreis Ebersberg liegt in Sachen Flächenverbrauch durch Mais sogar noch über dem bayerischen Durchschnitt. Mehr als 16 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen würden im Landkreis mit Mais bewirtschaftet, sagt Mathias Mitterreiter. Er ist im Rosenheimer Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten für den Bereich Pflanzenbau zuständig - auch für den Landkreis Ebersberg. Zum Vergleich: Im bayerischen Durchschnitt werden nur 13 Prozent der Landwirtschaftsflächen mit Mais bebaut. Bricht man den Wert auf die Ackerflächen herunter, sind es im Landreis schon knapp 28 Prozent. Vor zehn Jahren seien es noch 3300 Hektar Mais gewesen, erinnert sich Mitterreiter. Inzwischen sind es 1200 Hektar mehr - eine Steigerung von mehr als 26 Prozent.

Mais steht bei Umweltschützern in der Kritik: Er zehre die Böden aus, benötige viel Dünger und lasse die Hochwassergefahr steigen, heißt es. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Mais nahm schon in den vergangenen Jahrzehnten eine wichtige Rolle in der Landwirtschaft im Landkreis ein, denn er dient als Futter für Rinder. Im Raum Ebersberg werden rund 17 500 Milchkühe gehalten, hinzu kommen fast genauso viele weibliche und männliche Rinder, die für Nachzucht und Fleischproduktion gehalten werden. Das allein erklärt den Flächenverbrauch durch Mais freilich nicht, schließlich ist die Rinderzucht im Raum Ebersberg seit jeher stark verbreitet. Die Steigerung ist vor allem auf den Ausbau der Biogasanlagen zurückzuführen. Denn mit der Maissilage lassen sich nicht nur Rindermägen füllen, sie ist auch eines der effizientesten Substrate, um aus Biogas Strom zu erzeugen. Rund 30 Prozent der Maissilage würden inzwischen für die Produktion von Biogas eingesetzt, schätzt Mitterreiter. "Durch die zunehmende Produktion von Biogas steigt die Nachfrage nach Biomasse", bestätigt Franz Lenz, Kreisobmann des Bauernverbands im Landkreis Ebersberg. "Betreiber von Biogasanlagen zahlen hohe Pachten für Maisfelder, dadurch setzt sich der Mais im Konkurrenzkampf gegenüber anderen Pflanzen durch."

Steht die effiziente Landwirtschaft also im Gegensatz zum ökologischen Gleichgewicht? So einfach ist es nicht. Schließlich werden in Grub zunehmend Alternativen zum Maisanbau erforscht, die vom Ertrag her beinahe herankommen an die goldgelben Kolben. Da wäre zum Beispiel die Durchwachsene Silphie. Für den Laien sieht die hochwachsende Pflanze aus wie eine Sonnenblume mit viel zu kleinen Blüten. Die Durchwachsene Silphie fängt schon früh im Jahr an zu wachsen, das bietet Schutz für Wildtiere. Ganz im Gegensatz zum Mais, der das Problem mit sich bringt, dass der Acker lange Zeit brach liegt und der Regen Erde und Nährstoffe abträgt, die dann mit viel Dünger wieder ersetzt werden müssen. Schon im Juli fängt die Silphie an zu blühen. "Das freut natürlich auch die Imker, bei denen die Pflanze gern gesehen ist", erklärt Dorothea Hofmann. "Ertragstechnisch kann die Silphie an den Mais herankommen." Und dadurch, dass weniger gedüngt und gespritzt werden müsse, sei die Pflanze trotz geringer Ertragseinbußen relativ effizient.

Silphie und Wildblumen sind nicht die einzigen Alternativen, die auf dem Versuchsfeld in Grub erforscht werden: Es geht dort auch um Felder, auf denen versucht wird, verschiedene Pflanzenarten zu kombinieren. Der Mischanbau bietet die Möglichkeit, verschiedene Feldfrüchte gleichzeitig anzubauen. So lasse sich beispielsweise Winterroggen mit einer Weidelgras-Untersaat sehr gut kombinieren, erklärt Andrea Sobczyk, die wie Dorothea Hofmann bei der Landesanstalt für Landwirtschaft tätig ist. "Der Winterroggen wurde in diesem Jahr schon geerntet, jetzt kann das Weidelgras wachsen", sagt Sobczyk. Vom Getreide sind nur noch einige Stängel übrig. "Der Boden liegt nicht blank", erklärt Sobczyk die Vorteile des Mischanbaus. Und die gute Durchwurzelung des Weidelgras hat eine positive Wirkung auf den Humus.

Neben Grub gibt es noch zwei weitere Forschungseinrichtungen im Freistaat, an denen ertragreiche Energiepflanzen erforscht werden. Und diese Forschung ist über mehrere Jahre und Standorte angelegt, "um standortbezogene Ergebnisse zu erhalten und Jahreseffekte auszuschließen", so Dorothea Hofmann. Was dazu führt, dass es wohl noch eine Weile dauern wird, bis der Mais in größerem Umfang durch Alternativen ergänzt wird. Auch wenn der politische Wille da ist, die Monotonie der Maisflächen zu stoppen.

© SZ vom 27.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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