Poing:Mit Schirm, Champignon und Melone

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Bei der ersten in Poing ausgetragenen offiziellen Bayerischen Grillmeisterschaft gibt es viel zu sehen und viel zu probieren

Von Annalena Ehrlicher, Poing

Begeistertes Johlen begleitet zwei Leute, die mit Tellern in den Händen auf die Hauptbühne des Poinger Straßenfestivals zueilen. Fliegendes Hühnchen, sozusagen - befindet sich doch auf den aufgeregt beklatschten und sorgsam dekorierten Tellern das Hühnchengericht der Grillmannschaft "Hot N'Spicy" aus Schönau am Königssee. Anlass des Ausnahmezustands ist die erste offizielle - das heißt von der German Barbecue Association anerkannte - bayerische Grillmeisterschaft, die vergangenen Samstag in Poing ausgetragen wurden. "Mist", flucht plötzlich einer der Tellerträger, "da fehlt doch noch was. Ich hab' meinen Champignon vergessen!" Ohne Champignon keine Competition, er hastet zurück, um nachdekorieren zu lassen. Schließlich fließt in die Bewertung der Jury neben Geschmack und Kreativität vor allem das geschmackvolle Arrangement der Speisen ein.

Alle halbe Stunde gibt es Nachschub für den Jurorentisch

Die Regeln der Meisterschaft sind klar festgelegt: Organisator Uli Wette ist seit mehr als zehn Jahren Vorstandsmitglied der German Barbecue Association und dort - passend genug - für das Regelwerk zuständig. Der Poinger erklärt: "Wichtig ist beispielsweise, dass das Zeitfenster eingehalten wird - sonst kann der Gang nicht gewertet werden." Die Hälfte der Teams gibt zu jeder vollen, die andere Hälfte zu jeder halben Stunde ihr Gericht ab. Beurteilt werden die Arrangements von einer 20-köpfigen Jury, um die Aufnahmefähigkeit der Juroren-Mägen nicht zu überfordern. Die Teilnehmer sind keine professionellen Köche oder Gastronomen, sondern Hobby-Griller, die Spaß an der Sache haben. "Zehn Mannschaften sind dieses Jahr angetreten", erklärt Wette. Die erste Runde ist der - bereits erwähnte - Hühnchenteller: Von "Chicken Ballotine" über "Mediterran gefüllte Hähnchenbrust mit Parmaschinken" reichen die Variationen. Die Herausforderung der zweiten Runde ist, aus einem Überraschungskorb einen weiteren Fleischgang zu zaubern, bei dem nur die Zutaten aus dem Korb verwendet werden dürfen. Ein Blick auf den Grill schafft Klarheit: Die geheimen Bestandteile sind ein Schweinefilet, diverse Gemüsesorten und eine Dose Bohnen. Doch was zunächst wie eine etwas willkürliche Auswahl wirkt, kann sich auf dem Teller gut sehen lassen. "Wir sind damit gut zurechtgekommen", sagt Maria Weber von Hot N'Spicy strahlend. "Das wurde im Team besprochen und das Ergebnis sieht super aus." Die Familie nimmt seit acht Jahren an verschiedenen Grillwettbewerben teil - "immer da, wo was los ist."

Vom Gewitter lassen sich die Griller nicht aus der Ruhe bringen

Der dritte Gang ist - ganz dem Zeitgeist entsprechend - ein vegetarisches Gericht: Gefüllte Paprikaschoten sieht man auf dem einen Grill, Zucchini-Röllchen und Artischocken-Pesto werden an einem anderen Stand vorbereitet. Hot N' Spicy hat Tortellini auf dem Rost. Wie sie das Gericht nennen? "Äh. . . Gemüsetaschen?", antwortet Maria Webers Tochter lachend. Die Stimmung ist ausgelassen, vor und hinter den Grillständen. Selbst als die bereits während des Überraschungskorbs immer dunkler werdenden Gewitterwolken mit strömendem Regen über die Grillmeisterschaft hereinbrechen, bringt das niemanden so richtig aus der Ruhe. Dierk Schwabe und Stefan Rödel von BBQ Travel, die zuvor ihren Überraschungsteller abgeliefert haben, schaffen Platz, um die Grillutensilien unter ihrem Pavillon zu verstauen. "Ach, das war letztes Jahr genau das gleiche", erzählt Schwabe, während sein Grill-Kollege sich ein Bier aufmacht. "Das macht nichts." Schwabe gehört ein Reisebüro, über das er mit seinem Team regelmäßig an Grill-Wettbewerben in den USA teilnimmt. "Hier sind die Regeln natürlich ganz anders als in den Staaten", sagt er. "Hier ist ja der ganze Schnickschnack drum herum wichtig, die Deko auf den Tellern und so - drüben geht es einfach nur ums Fleisch." Zwanzig Stunden dauert beispielsweise das Spanferkel-Grillen. "Hier gibt's ja sogar ein vegetarisches Gericht", sagt er und es ist schwer zu beurteilen, wie gespielt die Verachtung in seiner Miene ist. Bei allem Scherz: Wenn man sieht wie liebevoll die Teller kreiert werden, ist offen ersichtlich, mit welcher Begeisterung die Teams bei der Sache sind. Bei einer besonders starken Windböe greifen beide Männer instinktiv nach dem Pavillon - so schnell bringt hier das Wetter keinen aus der Ruhe.

Der letzte Gang ist das Dessert - ebenfalls auf dem Grill zubereitet und für viele Teilnehmer bereits während der Zubereitung der anderen Gerichte der erklärte Favorit. Auch im Jurorenzelt wartet man gespannt auf die letzte Runde. Monika Feil, die ihrem Mann die Teilnahme als Juror geschenkt und ihn aus Interesse begleitet hat, freut sich bereits. "Da waren viele sehr gute Gerichte bisher dabei - vor allem sehr vielseitige", erzählt sie. Ausreißer gab es noch keine, allerdings auch noch nichts "Überragendes". Bleibt zu hoffen, dass die harte Arbeit der Juroren - die Bewertungsbögen muten ähnlich wie die Steuererklärung von Freiberuflern an - mit einem "überragenden" Dessert belohnt wurde.

© SZ vom 27.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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