Poing:Mieten, kaufen, leben

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SPD sucht Wege für bezahlbaren Wohnraum

Von Annalena Ehrlicher, Poing

"Wenn es nicht alle wollen, dann passiert gar nichts", stellt Ernst Böhm beim SPD-Frühschoppen im Poinger Hof fest. Der Bauunternehmer und Kreisrat sitzt am Sonntagmorgen mit Mitgliedern des Ortsvereins beisammen, um ein Thema zu diskutieren, das im Landkreis Ebersberg immer akuter wird: "Bezahlbarer Wohnraum für Jedermann!" Die Diskussion ist lebhaft, weshalb sowohl Böhm als auch Bürgermeister Albert Hingerl (SPD) hin und wieder eingreifen, um nicht aus den Augen zu verlieren, dass vor allem produktive Ansätze diskutiert werden sollen.

So kommt Böhm immer wieder auf drei zentrale Argumente zu sprechen: Nämlich, was, wie und für wen gebaut werden soll. "Wir brauchen eine vernünftige Mischung von Eigentümern und Mietern - das wirkt stabilisierend", sagt er beispielsweise. Ein Gast wirft ein: "Aber es geht auch darum, wie gebaut wird - es gibt viel zu viele Luxusbauten." Böhm stimmt zu, verweist jedoch darauf, dass der Mangel an Baugrund ein zentraleres Problem sei. "Je weiter in Richtung Stachus, desto rarer wird der Grund", sagt er. Bürgermeister Hingerl fügt hinzu: "Wir haben hier ein großes Ballungsraum-Problem, das zum Beispiel für den östlichen Landkreis Erding in dieser Form nicht existiert." Im Einzugsgebiet von München gebe es schlicht zu wenig Braugrund. Eine Dame widerspricht: "Dann muss man vielleicht mal damit aufhören, immer Einfamilienhäuser zu bauen und stattdessen in Geschossbau und die Infrastruktur investieren."

Bereits in den ersten Minuten des Frühschoppens wird deutlich, dass das Thema für alle Anwesenden in irgendeiner Form relevant ist: Manche haben Kinder und Enkel, für die das Thema Eigenheim in der Heimatgemeinde akut wird. Daneben ist das Ehepaar, das mit einer gemeinsamen Rente von 1800 Euro knapp die Hälfte davon für die Miete ausgibt. Nicht einmal die Hälfte der Teilnehmer wohnt in Eigenheimen - "das ist im Vergleich mit anderen europäischen Ländern deutlich weniger", so Böhm. Dabei sei eine bezahlte Eigentumswohnung derzeit die beste Rente. "Der demografische Wandel ist im Grunde das beste Argument für einen Wandel in der Baumentalität", fügt er einen ernst zu nehmenden Appell hinzu.

Böhm hat allerdings auch eine andere Vision von bezahlbarem Wohnraum, mit der er das Rad aber nicht neu erfindet, sondern erprobte Ansätze komprimiert und diese praktikabel macht. Zu den Kernbestandteilen gehört Folgendes: Städtebauliche Verträge sollen die Kosten für Grundstücke pro Quadratmeter Wohnfläche senken. Ebenfalls kostensenkend wirkt, wenn man modularisiert baut: "Das wurde nach dem Krieg auch so gemacht - viele sehr ähnliche Wohnungen in unterschiedlichen Größen, aber mit denselben Grundrissen", erläutert er. Auch die Nebenkosten beim Bau können durch diese Methode aufgrund des Wiederholungsfaktors halbiert werden. Ein weiterer Faktor sei, dass die Grundrisse möglichst platzsparend und effizient aufgeteilt werden, was den Wohnflächenbedarf reduziert. "Trotzdem werden Sie von mir nie hören, dass möglichst klein gebaut werden soll", sagt Böhm und spricht sich für Wohngemeinschaften und Mehrgenerationenhäuser aus. Dies wird von den Zuhörern zwar positiv aufgenommen. Dennoch stehen Zweifel im Raum, ob gerade ältere Menschen für diese Wohnform begeistert werden können. "Die zunehmende Individualisierung ist teuer, nicht nur beim Wohnen, sondern auch bei der täglichen Versorgung. Auf Dauer wird das der einzige Weg", antwortet Böhm.

Peter Maier, Fraktionssprecher der SPD im Poinger Gemeinderat, wirft ein, dass der Staat mehr in die Verantwortung genommen werden müsste: "Es kann doch nicht sein, dass die ganzen Bundeswehrgelände an die Industrie verscheppert wurden - ohne Auflagen", sagt er. Doch das deutsche Baurecht ist schwierig; seit 1991 ist sozialer Wohnungsbau Länder- und nicht mehr Bundesaufgabe. "Man könnte jedoch eine Infrastrukturbeihilfe für die Umlandsgemeinden von München einführen", sagt Böhm. Diese solle verhindern, dass Kommunen lieber Gewerbe- als Wohngebiete ausweisen, da letztere immer mit Folgekosten verbunden seien. Auch eine Grundsteuer auf nach fünf Jahren noch nicht genutzten Baugrund wünscht sich Böhm. "Man könnte in den nächsten 10, 15 Jahren sicherlich eine Million Wohnungen schaffen - man bräuchte nur den gesellschaftlichen Konsens." Jedoch gebe es immer Leute, die sich gegen Bauprojekte auflehnen. "Bauen ja - aber nicht in der Nachbarschaft", urteilt er. "Und wie kann man das ändern?", fragt ein älterer Poinger. Böhms Antwort: "Keine Ahnung - wahrscheinlich muss die Not noch größer werden."

© SZ vom 30.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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