Poing: Liebharts Bräuhaus:Ende einer Traditionswirtschaft

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Kirche, Maibaum, Wirtshaus - dieses bayerische Trio geht in Poing verloren: Liebharts Bräuhaus wird abgerissen.

Barbara Mooser

Die Küche ist schon seit einem Jahr verwaist, in der Wirtsstube spielt niemand mehr Karten, die Zeit der fröhlichen Feste im großen Saal ist vorbei. Früher, als Poing noch ein gemütliches Dorf war und keine aufstrebende Großgemeinde, war das Wirtshaus Liebhart gleich bei der Kirche der gesellschaftliche Mittelpunkt. "Mein Vater ist viele, viele Jahre lang jeden Sonntagnachmittag um drei Uhr zum Schafkopfen gegangen", erzählt der 70-jährige Anton Blieninger.

Die Türen sind schon seit längerem geschlossen, jetzt soll das Wirtshaus gegenüber der Kirche, das in früheren Jahren "Zur Lederhosn" hieß, abgerissen werden und einem Neubau Platz machen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auch er selbst hat schöne Erinnerungen an das Wirtshaus - schließlich haben er und seine Frau hier 1964 ihr großes Hochzeitsfest gefeiert. "Schade ist es, sehr schade", seufzt Blieninger, wenn er an die Zukunft des Wirtshauses im alten Poinger Ortszentrum denkt.

Denn geplant ist, dass das mehr als 100 Jahre alte Haus abgerissen und durch ein modernes Wohn- und Geschäftshaus ersetzt wird. "Das Gebäude ist nicht isoliert, die Heizung total veraltet. Wir haben einfach nicht die finanziellen Möglichkeiten, das zu renovieren", sagt der Eigentümer Horst Liebhart junior. Auch seine Hotelbaupläne für das Poinger Ortszentrum hat er inzwischen aufgegeben. "Jetzt ist die Hoteldichte im Münchner Umland einfach schon zu hoch. Vor 15 Jahren wäre das noch attraktiv gewesen", sagt Liebhart. Er selbst betreibt inzwischen ein florierendes Hotel in Haar, die Gaststätte in Poing hatte er ohnehin bereits seit 2007 verpachtet.

Der Gemeinderat hat sich bereits von der Idee verabschiedet, dass an der Stelle neben der Kirche noch einmal eine Wirtschaft oder ein Hotel - ein solches ist im noch geltenden Bebauungsplan vorgesehen - eröffnet. Das Gremium will dem neuen Plänen Liebharts jedenfalls keine Steine in den Weg legen. "So ist zumindest ein Neubeginn möglich", sagte Bürgermeister Albert Hingerl in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats. In den nächsten Jahren wird es wohl vor allem noch um die Gestaltung und Nutzung des Gebäudes gehen. Selbst bauen will Liebhart das Projekt nicht, er plant den Verkauf des Areals, sobald eine Planung dort genehmigt ist.

Damit geht dem bayerischen Trio Kirche, Maibaum, Wirtshaus ein an sich wichtiges Element verloren. Auch Horst Liebhart versichert, dass ihm die Entscheidung für das Ende der Wirtschaft nicht leicht gefallen sei. Schließlich ist es seit über 100 Jahren im Familienbesitz. "Aber ich kann es mir nicht leisten, aus nostalgischen Gründen weiterzumachen", sagt Liebhart.

Denn geschlossen ist die Gaststätte zwar erst seit einem Jahr, der Niedergang hat aber schon viel früher angefangen. "Wir haben es nicht geschafft, die Neu-Poinger in den alten Ortskern zu ziehen", glaubt der Gastronom. Selbst die Vereine seien am Ende nicht mehr gekommen: "Jeder hat ja sein eigenes Vereinsheim." Gerade einmal für ein paar Weihnachtsfeiern hätten die Vereine das Wirtshaus noch genutzt.

Viele Poinger erinnern sich an Zeiten, als das noch ganz anders war. "Allein die Bälle, die da gefeiert worden sind!", sagt Anton Blieninger. Er weiß sogar noch die Reihenfolge, in der die Faschingsbälle von Sportverein und Rotem Kreuz, von Burschenverein und Naturfreunden immer aufeinander gefolgt sind. "Fast jeden Samstag war ein großer Ball", sagt der Poinger. "Aber heute gehen die jungen Leute lieber in die Disco."

Auch Alois Moser trauert der Poinger Traditionswirtschaft hinterher, viele Jahre, fast schon Jahrzehnte, war er dort Stammgast: "Ich komme eigentlich aus Markt Schwaben, war aber 20 Jahre lang Chef vom Postamt in Poing. Da bin ich bestimmt jeden zweiten oder dritten Tag zum Liebhart reingegangen. Das war schon so etwas wie eine kleine Heimat", sagt Moser wehmütig. Die Poinger Bauernhochzeiter, deren Vorsitzender Moser ist, müssen sich jetzt ebenfalls etwas Neues überlegen.

Seit 1935 wurde die Poinger Faschingsveranstaltung immer im Liebhart gefeiert, zum letzten Mal ist das Gaudium im Jahr 2010 dort über die Bühne gegangen - dafür hat der damalige Pächter die eigentlich schon geschlossene Gaststätte eigens noch einmal geöffnet. "Wir werden das wahrscheinlich nicht mit einem so großen Aufwand machen wie bisher. Vielleicht machen wir das einfach im Freien", erzählt der Organisator. Ein bisschen Zeit zum Überlegen hat er noch - erst in fünf Jahren steht das Ereignis wieder an.

Die Vereine, die keine eigene Vereinsgaststätte haben, müssen sich hingegen schon jetzt umorientieren. Der VdK beispielsweise, der seine Weihnachtsfeier immer im Liebhart feierte, hat in diesem Jahr bereits Asyl beim Schützenverein Hubertus Poing bekommen. Auch andere Vereine, mit denen man Kontakt habe, nutzten gelegentlich die Räume im Schützenheim für ihre Veranstaltungen, sagt Vorsitzender Hans Hoesch. Eine echte Alternative zum Wirtshaus könne das Vereinsheim natürlich nicht werden: "Wir haben gar nicht die Leute, um da ständig jemanden bewirten zu können", erläutert Hoesch.

Dass der Verlust des Traditionswirthauses für das alte Ortszentrum von Poing eine traurige Sache ist, da sind sich Moser, Hoesch und Blieninger einig. "Das ist ganz, ganz schlimm", findet Moser. Und Blieninger verrät noch, was böse Zungen in Poing munkeln: "Was wir im alten Ortszentrum jetzt noch haben, das sind zwei Beerdigungsinstitute."

© SZ vom 30.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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