Poing:Lehrstunde mit Grünen-Promi

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Toni Hofreiter, Grünen-Fraktions-Chef im Bundestag, bei seinem Besuch im Poinger Schützenheim. (Foto: Christian Endt)

Toni Hofreiter spricht in Poing über den Klimawandel

Von Barbara Mooser, Poing

Der Himmel wurde dunkler und dunkler, ein Sturm zauste die Bäume vor dem Gebäude, am Ende pladderte der Regen herunter als stünde Poing kurz vor der Sintflut. Es war nur ein sommerlicher Wetterumschwung, aber auch ein guter Soundtrack zu dem, was Toni Hofreiter gerade den gebannt lauschenden Zuhörern im Poinger Schützenheim erzählte: von Ländern, die es bald nicht mehr geben wird, weil die Meeresfluten sie aufgrund der Erderwärmung verschluckt haben, von Regionen, in denen der Mensch im Freien nicht mehr überleben kann, weil er nun mal nicht auf Temperaturen über 50 Grad und hohe Luftfeuchtigkeit ausgelegt ist, von Wetterphänomenen, die selbst die pessimistischsten Klimaforscher nicht für das Jahr 2017 vorausgesagt hätten.

Für diejenigen, die in den vergangenen Jahren regelmäßig Nachrichten geschaut und Zeitung gelesen haben, dürfte das meiste von dem, was der Fraktionschef der Grünen im Bundestag am Mittwochabend berichtete, zwar nicht neu gewesen sein. Spannend war es für viele aber, die Hintergründe des Klimawandels und mögliche Strategien dagegen einmal von einem der bekanntesten Grünen-Politiker Deutschlands persönlich erklärt zu bekommen. Auf die Idee, Hofreiter nach Poing einzuladen, war Gemeinderätin Sieglinde Pehl gekommen; der Kreisrätin und stellvertretenden Landrätin Waltraud Gruber, die den Abend moderierte, war die Verblüffung darüber, dass die Einladung auch prompt angenommen wurde, immer noch ein bisschen anzumerken.

Mit großen Einleitungen oder verbindlichen Worten hielt sich Hofreiter nicht auf. Mit der Sachlichkeit eines Naturwissenschaftlers, der er ja auch ist, beschrieb er, was das Einwirken der Menschheit mit dem Klima angerichtet hat. Er sprach von veränderten Jetstreams, Masseverlusten der Eisschilde, bisher nie gekannten Küsten-El-Niños - und der Tatsache, dass man das nicht einfach mit dem Hinweis abtun könne, Klimaveränderungen habe es schon immer gegeben. Hätte der Mensch nicht eingegriffen, wäre das Klima immerhin noch 50 000 Jahre stabil geblieben, das könne man dank präziser Berechnungen feststellen, sagte Hofreiter.

Ein Verzicht auf fossile Brennstoffe wäre der wichtigste Schritt, um die Entwicklung zu verlangsamen, dabei komme Deutschland vor allem bei der Kohle eine besondere Verantwortung zu. Bei der Braunkohleverstromung liege die Bundesrepublik weltweit vorn, betrachte man die Kohlenutzung insgesamt, liege Deutschland hinter China, den USA und Indien auf dem vierten Platz. Weit entfernt sei Deutschland vom Ziel, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken, kritisierte Hofreiter. Dabei werde gerade Deutschland, das immerhin bei den erneuerbaren Energien eine Vorreiterrolle übernommen habe, sehr genau beobachtet: "Wenn ausgerechnet Deutschland seine selbst gesteckten Ziele verfehlen würde, wäre das ein verheerendes Zeichen."

Ziel der Grünen wäre es, so Hofreiter, die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke sofort abzuschalten, dabei aber auch einen Fonds für die betroffenen Arbeitnehmer aufzulegen. Weg müsste auch die Abgabe auf selbst produzierten und selbst genutzten Strom, die den Ausbau der Speichertechnologie verhindere; forcieren müsse man den Ausbau der Elektromobilität. Bislang hätten fast alle deutschen Autobauer hier den Anschluss verschlafen. Am Ende aber gab sich Hofreiter dennoch optimistisch: "Wir haben für alle großen Probleme Lösungen. Wir müssen kluge politische Entscheidungen treffen, dann können sich die Dinge sehr schnell ins Positive drehen."

Nach langem Applaus stellten viele der gut 100 Zuhörer Fragen zum Thema des Vortrags - und einer eine mit ebenfalls ganz aktuellem Hintergrund: Was, so wollte der Zuhörer wissen, würde Hofreiter denn sagen, wenn sich Angela Merkel im Herbst auf die Suche nach einem Koalitionspartner machen und dabei auch bei den Grünen anklopfen würde? Hofreiter schloss eine Regierungsbeteiligung nicht aus, man sei grundsätzlich bereit, sich mit anderen demokratischen Parteien über das Thema zu unterhalten, sagte er: "Aber das hängt auch davon ab, was in den zentralen Dingen verhandelbar ist." Doch in der Vergangenheit habe es da mit der Union keine Chance auf Einigung gegeben: "Merkel macht beim Klimaschutz das Gegenteil von dem was sie sagt. Wir müssen das nach und nach demaskieren."

© SZ vom 14.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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