Poing:Kreuz, Gebetsteppich und Tee

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Kindliche Neugier zum Thema Religion befriedigen in der Poinger Bücherei Vikar David Scherf, Bibliotheks-Pädagogin Sabine Heidemann und Islamlehrer Öguzhan Öktem (von links). (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ambitionierte Vorlesestunde in der Poinger Bücherei: Anhand eines Wimmelbuchs erklären Glaubensvertreter Kindern die Weltreligionen

Von Peter Kees, Poing

Einmal im Monat gibt es in der Poinger Bücherei einen Vorlesenachmittag. Im Rahmen dieser Reihe hat man nun Kindern das "Wimmelbuch der Religionen" vorgestellt - und dazu Vertreter des Christentums, des Islam und des Zen-Buddhismus geladen. Vor knapp 20 Fünf bis Achtjährigen saßen der Vikar David Scherf aus Poing, der Islamlehrer Ogzuhan Öktem aus Taufkirchen und, stellvertretend für den erkranken Zen-Meister, Sabine Heidemann von der Bücherei, dort für pädagogische Aufgaben zuständig. Ein durchaus beachtliches Unterfangen.

Auffallend: Die meist aus christlichen Familien stammenden Kinder waren sehr achtsam, hoch konzentriert und äußerst neugierig. "Was seht ihr?" fragte Vikar Scherf und schlug eine von Bildern nur so wimmelnde Buchseite auf, die dem christlichen Bekenntnis gewidmet ist. Eine Krone erkannten die Kinder, eine Kirche, Wasser, eine Prozession, die Kreuzigung Jesu, seine Auferstehung und Weihnachten. Die Krone, so erzählte der angehende evangelische Pfarrer, setzen koptische Christen in Ägypten beim Heiraten auf, das Wasser dient der Taufe und die Prozession sei als Glaubensbekenntnis zu verstehen. "Und was ist eigentlich Ostern", fragte er die Kinder. "Weil da der liebe Gott auferstanden ist," so die spontane Antwort eines Jungen. Und die Kreuzigung? "Weil da ein paar Leute nicht gewollt haben, was er gemacht hat." So simpel die Sicht der Kleinen.

Freilich kannten sich die Kinder mit dem Christentum weit besser aus als mit dem Islam. "Ich weiß nicht, was die da machen," rätselten eines, als es in die Seiten des Wimmelbuches über den Islam blickte. Der Islamlehrer Öktem klärte auf. Dazu hatte er islamischen Devotionalien mitgebracht, Anschauungsmaterial für seine Lehrstunde. Die Kinder lernten: Im Islam wird fünfmal am Tag gebetet, die Moschee ist das islamische Gotteshaus, vergleichbar einer christlichen Kirche, man verwendet einen Gebetsteppich zum Beten, zieht darauf die Schuhe aus (auf einen kleinen Reiseteppich für unterwegs legt man lediglich den Kopf), die 33 oder 99 Perlen der Gebetsketten entsprechen den verschiedenen Namen Gottes und das Heilige Buch heißt im Islam nicht Bibel sondern Koran.

Dass es sich bei den Riten der beiden Glaubensrichtungen im Grunde lediglich um unterschiedliche kulturelle Prägungen handelt, wurde dabei ziemlich transparent. Vielleicht ist es das, was man braucht, für eine Gesellschaft vom Morgen: Erkenntnis über die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Religionen. So wie die liturgischen Gewänder sich ähneln, so heißt der eine eben Pfarrer, der andere Imam. Werden bei den Christen die Glocken zum Ruf in die Kirche geläutet, so ist es bei den Muslimen der Gesang des Muezzins.

Bleibt der Buddhismus. "Buddha würde sich als erstes vor Euch verbeugen," erzählte Heidemann den Kindern und zündete ein Räucherstäbchen an. "Das riecht wie unser Grill," lautete der spontane Kommentar eines Jungen. Auch im Buddhismus gibt es Heilige, Mönche, religiöse Feste und Orte sowie mit dem Dalai Lama eine Art Kirchenoberhaupt. Die Mönche tragen nur eben nicht schwarze oder graue Gewänder, sondern häufig orange. Freilich sind Meditation oder Teezeremonien besondere Eigenheiten. Der Tee, den die Büchereichefin Gertraud Bamberg den Kindern zum Abschluss servierte, mundete jedenfalls allen, auch wenn es den Kindern schwerfiel, beim Trinken nur an die Tasse zu denken, wie es ein Buddhist tun würde.

Ein schöner Einfall der Poinger Bibliothek, Kindern auf diese sehr anschaulich Art die verschiedenen Religionen näher zu bringen. Schade nur, dass die beiden Glaubensvertreter nicht miteinander in den Dialog traten. Es hätte durchaus aufschlussreich sein können, die Verwandtschaft der beiden Religionen im Zwiegespräch direkt zu vermitteln.

© SZ vom 04.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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