Neue Unterkunft:Mehr Unterstützung für Wohnungslose

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Thomas Wicker bietet die Beratung in der Unterkunft an, Katja Merker ist Bereichsleiterin der Wohnungsnotfallhilfe. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Diakonie ergänzt ihr Angebot im Landkreis mit einer neuen Unterkunft in Ebersberg. Dort gibt es nicht nur Betten, sondern auch Beratung

Von Anselm Schindler, Ebersberg

Die Pflanzen wuchern vom Grundstück auf den Bürgersteig, das Haus im Hintergrund ist unscheinbar, der Putz ausgeblichen. Die meisten Fenster stehen offen an diesem schwülen Nachmittag. In dem Haus in der Ebersberger Eberhardstraße sind seit Mai obdachlose Menschen untergebracht, zwölf Personen seien es derzeit, sagt Thomas Wicker von der Ebersberger Diakonie.

Bis zu 16 Bewohner haben Platz in dem Haus, es gibt Einzelzimmer, Doppelzimmer und auch Appartements für Familien. Wicker sitzt an einem Holztisch im Büro der Diakonie in der Baldestraße. Von hier hat er es nicht weit zu den Bewohnern des Hauses in der Eberhardstraße, die er im Auftrag der Diakonie betreut. "Beratung und Unterkunft" - die neue Fachstelle der Diakonie dient als Ergänzung für die Wohnungslosenhilfe Ebersberg und die Fachstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit. Finanziert wird die Stelle von einem europäischen Hilfsfonds.

Am anderen Tischende, gegenüber von Wicker, sitzt Katja Merker. Sie ist bei der Rosenheimer Diakonie für den Bereich Obdachlosigkeit zuständig, gleichzeitig aber auch für die Fachstelle in Ebersberg. "Die Zahlen steigen seit Jahren", erklärt Merker mit Blick auf Menschen, die ihr Zuhause verlieren und auf der Straße landen. Und die Gemeinden und Städte, die für die obdachlos gewordenen Menschen zuständig sind, seien oft überfordert.

Im Landkreis ist das Haus in der Eberhardstraße das erste seiner Art, es soll auch die Kommunen entlasten. Am Dienstagnachmittag werden sich Vertreter der Diakonie mit Bürgermeistern und Ordnungsamt-Mitarbeitern aus den Gemeinden des Landkreises treffen, um das Projekt vorzustellen.

Auch bei der Unterbringung von anerkannten Asylbewerbern hilft das Haus

"Wir haben jetzt schon viel Zuspruch aus den Gemeinden", erklärt Thomas Wicker. Die Kommunen im Landkreis stehen gerade was die Unterbringung von anerkannten Asylbewerbern betrifft vor großen Problemen. Denn diese müssen, wenn der Asylantrag genehmigt ist, eigentlich aus den Sammelunterkünften ausziehen und sich eine eigene Wohnung suchen - in der Praxis aber gelingt das kaum. In den meisten Fällen bleiben die Flüchtlinge dann erst einmal in den Unterkünften, Projekte wie in Ebersberg können da Abhilfe schaffen - zumindest übergangsweise.

Auch in dem Haus in der Eberhardstraße sind bereits vier Flüchtlinge untergekommen. Am Anfang habe man größere Bedenken gehabt, erklären Merker und Wicker, denn viele andere Bewohner hätten Vorurteile gegenüber den Flüchtlingen. Was auch daran liege, dass sie diese oft als Konkurrenz wahrnähmen. "Und dann", sagt Katja Merker, "versuchen die ja auch oft, Schuldige für ihre eigenen Lebenssituation zu suchen, da bieten sich Asylbewerber natürlich an".

Im Haus in der Eberhardstraße aber haben sich die Bedenken in Luft aufgelöst, "bis jetzt läuft es da sehr gut", sagt Diakonie-Mitarbeiter Wicker. Die besagten Flüchtlinge sprächen auch schon deutsch und hätten in den vergangenen Monaten Praktika in diversen Betrieben absolviert. Zudem trage der persönliche Kontakt zwischen den geflüchteten und den einheimischen Bewohnern auch dazu bei, Vorurteile abzubauen.

Wenn Menschen ihre Wohnung verlieren und aus finanziellen oder anderen Gründen keine neue Wohnung finden, dann werden sie von den Gemeinden oft in Pensionen gesteckt oder landen auf der Straße. "Die verschwinden dann oft von der Bildfläche, es gibt da dann meistens auch kein Betreuungsangebot oder Menschen, die nach ihnen sehen", beschreibt Katja Merker die Situation vieler wohnsitzloser Menschen. Im Haus in der Eberhardstraße ist das anders, dort unterstützt Thomas Wicker den Alltag der Bewohner und steht ihnen als zuverlässiger Ansprechpartner zur Seite.

Zur Obdachlosigkeit kommen häufig ander Probleme hinzu, zum Beispiel Schulden oder Krankheit

Der Diakonie geht es auch darum, dieses Angebot auf den ganzen Landkreis, also auch auf die obdachlosen Menschen in kleineren Unterkünften auszuweiten. Thomas Wicker soll dabei künftig auch von einem weiteren Kollegen unterstützt werden. Bei der aufsuchenden Beratung soll es vor allem darum gehen, Unterstützungsangebote zu vermitteln, damit die obdachlos gewordenen Menschen schnellstmöglich eine eigenen Wohnung finden. Und dann gibt es noch zahlreiche andere Probleme, mit denen die Mitarbeiter der Diakonie konfrontiert sind, wenn es um Obdachlosigkeit geht: Sie reichen von Drogenabhängigkeit bis hin zu Schulden.

"Bislang haben wir viel davon gar nicht auf dem Schirm, weil wir auch kaum Möglichkeiten hatten, mit den Betroffenen in Kontakt zu kommen", erklärt Katja Merker. Mit der Fachstelle für Beratung und Unterkunft soll sich das ändern. Um wie viele Betroffene es im Landkreis geht? "Es gibt keine verlässlichen Zahlen", sagt Merker.Auch das müsse sich ändern.

© SZ vom 20.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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