Neue Ausstellung:Gespeichert

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Seit zehn Jahren gibt es die Kunst im Ebersberger Grundbuchamt. Der Verein "Die Sonntagsidee" feiert das kleine Jubiläum nun mit einem inspirierenden Rückblick

Von Alexandra Leuthner, Ebersberg

Ein Schmetterlingskasten von Susanne Weyand ist zu sehen. (Foto: Christian Endt)

Der Zufall hat damals eine Rolle gespielt - vielmehr: die gute Gelegenheit. Eine von jener Art, die man beim Schopfe packen muss. Die sieben Gründer des Vereins "Die Sonntagsidee" haben das getan und mit ihrer ersten Ausstellung im Ebersberger Grundbuchamt vor genau zehn Jahren mehr geschafft, als nur eine Ausstellungsreihe ins Leben zu rufen.

Die gute Gelegenheit ergab sich dabei aus dem Kontakt der mittlerweile verstorbenen Moosacher Künstlerin Hildegard Dressler zu dem Weimarer Kabarettisten Michael Kirmes-Seitz, der wiederum den chinesischen Künstler Zhang Li-Guo kannte. Mit den Bildern Li-Guos, der heute als Wegbereiter der modernen Kunst in China gilt, landete der frisch gegründete Ebersberger Verein gleich einen Knüller. Seither sind die zwei Mal im Jahr stattfindenden Ausstellungen im Speicher des Grundbuchamts, die in der Folge und in ihrer Grundidee vor allem auch Nachwuchskünstlern eine Plattform bieten sollten, zu einer Institution geworden, die nicht nur namhafte, spannende und hervorragende Künstler regelmäßig in die Stadt bringt. Vielmehr haben viele Ebersberger - und nicht nur die per se Kunstinteressierten - die Idee aufgegriffen: Es ist ihnen zur Gewohnheit geworden, den sonntäglichen Spaziergang mit einem Besuch im Speicher des malerischen Justizgebäudes zu verbinden.

Der Verein "Die Sonntagsidee" zeigt auch dieses Werk: Die "Blinde Kuh" des verstorbenen Hans Thurner. (Foto: Christian Endt)

"Sie kommen vor oder nach der Kirche, vor oder nach dem Mittagessen, vor dem Nachmittagskaffee oder danach", erzählt Angela Felzmann-Gaibinger, die all die 17 Ausstellungen der vergangenen zehn Jahre mitorganisiert hat. "Ich liebe es, mit Kunst zu leben", sagt die ehemalige Leiterin des Amtsgerichts, die 2015 die Geschäfte an ihren Nachfolger Christian Berg übergeben hat. Und so war es für sie ein Schritt, den sie aus vollem Herzen tat, den loftartigen Raum unter dem Dach, in dem bis dahin nur gelegentlich Ausstellungen stattgefunden hatten, für die Kunst zu öffnen.

Der weiß gekalkte Speicher mit den offen liegenden Balken aus alten Eichenbohlen, den Fenstern, die wie umgekippte Halbmonde rumd um den Raum verteilt das Tageslicht ein- und zugleich viel Platz lassen, um darüber und dazwischen Bilder aufzuhängen, ist ja allein schon wegen der Atmosphäre jeden Besuch wert. Dass er dazu noch Geschichte atmet und Kunst nicht nur einen Rahmen gibt, sondern auch noch dazu inspiriert, haben die 17 Akademiestudenten der Bildhauerklasse Albert Hien bewiesen, die im Herbst 2010 hier ihrer Fantasie freien Lauf lassen durften. Einer von ihnen, erzählt Felzmann-Gaibinger beim Gang durch die Ausstellung zum zehnjährigen Jubiläum, habe sich damals aus den Beständen des Amtsgerichts bedient und unter dem Titel Folio 2010 antiquarische Bände von Königlich Bayerischen Regierungsblättern ausgeliehen und in der Mitte des Raums angeordnet: Ein Kunstwerk, das er dann auch gerne verkauft hätte, erzählt Felzmann-Gaibinger lachend. Ein anderer Kommilitone habe eine von einem Liebhaber weiblicher Formen in einen Balken geritzte Silhouette entdeckt und sie als Anregung für die Installation einer Wasserpistole benutzt, die unter dem Titel "Zwischen feuchten Fronten" die Ausstellungsbesucher von hinten mit kleinen Tröpfchen beschoss. Die nackte Schöne im Holzbalken ist inzwischen verschwunden, Felzmann-Gaibinger deutet auf eine dunkle Stelle am Holz und schmunzelt. "Da wird es gewesen sein, vermutlich hat jemand das Bild verschwinden lassen".

Der malerische Speicher des Ebersberger Grundbuchamts verleiht Kunst seit zehn Jahren einen wundervollen Rahmen, wie hier der Farborgie von Peter Casagrande. (Foto: Christian Endt)

Verstecken muss sich keiner der Künstler, die im Lauf der zehn Jahre hier vertreten waren. Einzelne Exponate aus allen Ausstellungen sind jetzt zum Jubiläum wieder auf dem Speicher mit den ungewöhnlichen Sichtachsen zu sehen, etliche von ihnen Leihgaben von Sammlern, welche die Gelegenheit nutzten, hier zu kaufen, manches aus Nachlässen, wie das von seiner Frau Hildegard gezeichnete Porträt des verstorbenen Moosacher Künstlers Otto Dressler. Die Mitbegründerin des Vereins Sonntagsidee weilt mittlerweile selbst nicht mehr unter den Lebenden.

Auch Stefanie Hoellering ist mit einem ihrer großformatigen, farbenprächtigen Werke vertreten. Im Mai 2009, neun Jahre nach ihrem Tod, hatte der Verein der Ebersberger Kunstpreisträgerin und ihrem Lebens- und Kunstgefährten Peter Casagrande eine Doppelausstellung gewidmet. Auch eines der unglaublichen Casagrande-Werke, charakteristisch in seinen aus unzähligen Schichten entstandenen Farbverläufen, hängt nun im Speicher und zieht magisch die Blicke auf sich. Aber auch weniger auffällige Zeugnisse aus zehn Jahren Sonntagsidee sind zu sehen, etwa Werke aus den beiden Wettbewerbsausstellungen "Prozesse" und "Corpus delicti" - wobei die Titel zwar auf den Ort des Geschehens verweisen, aber auch weitaus mehr Bedeutungen in sich vereinen, wie Felzmann-Gaibinger betont. "Prozesse gibt es ja nicht nur im Gericht, sondern auch in ganz anderen Bereichen." Entsprechend unterschiedlich die Werke, die eingereicht worden waren. Das Künstlerpaar Hans Thurner und Ute Lechner hatte sieben bronzene Totenschädel, die auf Munitionskisten aus dem Ersten Weltkrieg ruhten, gezeigt. Der inzwischen verstorbene Thurner, Bürgermeister von Obing, ist noch einmal vertreten, wieder mit einem Totenschädel: diesmal aber dem einer "Blinden Kuh", deren Augenpartie unter einer goldfarbenen Spange verborgen ist. Daneben steht eine Skulptur seiner Frau: metallene Fische, die an einer Art viereckigem Galgen aufgehängt sind - "Gegen den Strom schwimmen".

Und so werden die Besucher der Schau vieles sehen, das sie schon einmal bewundert haben und zugleich Neues entdecken: die Steinhöringerin Susanne Weyand mit einer Art Schmetterlingskasten aus winzigen Bildstücken, Vera Schüller, Mitglied der Gruppe "Art Sieben", mit der Skulptur eines in Ketten gelegten Schädels, Fotos aus dem Archiv des 2010 verstorbenen Bildjournalisten und Fotografen Roman Fink, Werke von Ingrid Wieser Kil, Menno Fahl, Luzia Kiefer, Andreas Mitterer oder Norbert Tress. Eines seiner aus Erdpigmenten gefertigten monochromen Bilder hatte Felzmann-Gaibinger noch zu Zeiten ihrer Amtsgerichtsleitung erstehen können. Es habe mit dazu beigetragen, dass im Gerichtsgebäude ein gewisses Gespür für Kunst gewachsen sei, erzählt sie. "An Kunst kann man sich gewöhnen - an Besuche im Speicher des Grundbuchamts auch.

Der malerische Speicher des Ebersberger Grundbuchamts verleiht Kunst seit zehn Jahren einen wundervollen Rahmen. Die Jubiläumsschau zeigt einen in Ketten gelegten Schädel von Vera Schüller. (Foto: Christian Endt)

Die Jubiläumsausstellung im Ebersberger Grundbuchamt wird am Sonntag, 10. Juni, um 11 Uhr eröffnet und ist bis 26. Juni sonntags zwischen 11 und 17 Uhr zu sehen. Am letzten Tag spielt das Grafinger Quartett "Jazz in The Box" (ab 11.30 Uhr).

© SZ vom 09.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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