Netzbildchen:Skandal aus einer anderen Zeit

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Gruppensex im Berufsbildungswerk - diese Meldung kursiert derzeit im Internet.

Martin Mühlfenzl

Zeit des Innehaltens. Gespannt richten sich die Augen der Gläubigen auf Rom; die Sedisvakanz hat begonnen und die Katholiken warten auf die Wahl eines neuen Papstes. Dennoch kommt die Kirche nicht aus den Schlagzeilen. "Einmaliger Gruppensex von Beschäftigten während einer Arbeitspause ist kein Kündigungsgrund, so das Arbeitsgericht München", lautet der einleitende Satz einer Zeitungsmeldung, die derzeit - als Fotografie - im Internet kursiert und für meist erheiternde Kommentare sorgt. Denn, so der weitere Text: "Das Berufsbildungswerk der Katholischen Kirche in Ebersberg hatte fünf Beschäftigte wegen Verstoßes gegen die Moral gefeuert."

Sakrament, mag es manch gottesfürchtigem Katholiken entfahren: Schon wieder negative Schlagzeilen. Die Reaktionen: zig Tausende Likes auf Facebook. All die blasphemischen Kommentare. "Swinger Kirche", titelt ein besonders hintersinniger User auf Facebook - "Ich hätte die Geschichte gerne als Fotolovestory", bleibt der Spott einer anderen Userin nicht aus. Und die taz aus Berlin: Twittert die Meldung, um sich an den Reaktionen ihrer Follower zu erfreuen.

Diese Meldung sorgt im Internet für Diskussion (Foto: privat)

Die Wahrheit liegt im Archiv der Ebersberger SZ

Woher stammt die Nachricht? Wurden das Kirchseeoner Berufsbildungswerk und die Kirche Opfer eines Scherzes der besonders bösen Art, wie hellwache User herausgefunden haben wollen? "Nicht auffindbar" ist in einigen Foren zu lesen. "Schlichtweg falsch" sei die Meldung.

Das stimmt nicht ganz. Nur scheint sie aus der Zeit gefallen. Im Archiv der Ebersberger SZ verbirgt sich in einem etwas angestaubten und vergilbten gebundenen Buch früherer Ausgaben des Rätsels Lösung. "Gruppensex am Mittag kein Kündigungsgrund" titelte die Ebersberger Neueste Nachrichten am Freitag, 10. Dezember 1982, auf ihrer Seite 1. Unterzeile: "Das Arbeitsgericht lässt Vorwürfe der Unzucht für Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht gelten." Zwei Ausbildungsmeister und vier Damen des Küchenpersonals hätten sich angeblich um die Mittagszeit zu "Gruppensexspielen" getroffen - und seien dabei beobachtet worden, ist dem Bericht zu entnehmen. Es folgte die fristlose Kündigung durch das BBW, ein Prozess vor dem Arbeitsgericht - die fünf Geschassten bestritten die Vorwürfe - und die Aufhebung der Kündigungen. Einer der Kirche nahestehenden Organisation hätte es gut getan zu verzeihen, begründete der Richter seine Haltung. Dank sei dem Herrn.

© SZ vom 02.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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