Mitten in Zorneding:Müllkippe Straßenrand

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Fenster auf, Abfall raus, kurzer Blick in den Rückspiegel. Keine Zeugen. Und weiter geht die Reise...

Von Rita Baedeker

Jeden Morgen können sich Pendler auf der Zornedinger Umfahrung der B 304 die gleiche Frage stellen: Liegt er heute rechts von der Fahrbahn oder wieder links, so wie in den vergangenen Tagen? Er, das ist ein von Böen geblähter, je nach Windrichtung hin und her gewehter kaputter Regenschirm, den irgendwer verloren oder, was wahrscheinlicher ist, aus dem Auto geworfen hat. Fenster auf, Abfall raus, kurzer Blick in den Rückspiegel. Keine Zeugen. Und weiter geht die Reise.

Ist schon praktisch, so eine Bundesstraße mit Grünstreifen und Böschung, die nicht nur als Lärm-, sondern auch als Sichtschutz dient. Spät abends, wenn nur noch wenige Autos unterwegs sind und auf den Wanderwegen weder Spaziergänger noch Reiter zu sehen sind, kann man gefahrlos entsorgen, was sich alles im Fahrzeug angesammelt hat: Papier, über dessen vorherige Verwendung man lieber nicht Bescheid wissen möchte, Bierflaschen, Einwegspritzen, Kippen, leere Getränkedosen, Müllsäcke, kaputte Schuhe, Windeln, Pizzakartons - und dann noch ein braunes Sofakissen, das, anders als der kaputte Schirm, tagelang an derselben Stelle verharrt. Der Fund wirft Fragen auf. Landete das Ding am Straßenrand als Folge einer aus dem Ruder gelaufenen Kissenschlacht im Wageninnern? Oder soll es Bus- und Fernfahrer daran erinnern, die Ruhezeiten einzuhalten? Man weiß es nicht.

Noch rätselhafter ist, warum Menschen überhaupt ihren Müll auf diese Weise entsorgen. Ein Kaugummi braucht immerhin fünf, eine Petflasche bis zu tausend und Styropor sogar sechstausend Jahre, um zu verrotten. Ist es jene "Nach-mir-die-Sintflut-Mentalität", die bewirkt, dass es so vielen Zeitgenossen offenbar gleichgültig ist, welchen Dreck sie hinterlassen - und das nicht bloß am Straßenrand? Und dass andere beim Ramadama im Frühjahr das eklige Zeugs einsammeln müssen?

Vor rund 100 Jahren mussten Kutschpferdebesitzer eine Abgabe entrichten, weil ihre Tiere die Stadtstraßen mit Exkrementen verunreinigten. Moderne Kutscher hingegen, welche ihren Müll auf die Straße kippen, haben (fast) nichts zu befürchten. Als die Stadt Frankfurt ein Bußgeld für derlei Verhalten einführte, schlug die Schriftstellerin Elke Heidenreich vor: "Klebt ihnen die Kaugummis auf den Mantel, stopft ihnen die Kippen in die Nase!" Weniger drastisch und ebenso wirkungslos wäre folgende Buße: Lasst sie bei Wind und Wetter einem kaputten Regenschirm nachjagen!

© SZ vom 30.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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