Anonymität gilt als Merkmal und als Makel des Stadtlebens. Während auf dem Land jeder jeden kennt, freundlich mit Namen grüßt und man sich vielleicht sogar auf ein Bier oder gerne auch mehrere einlädt, bestimmt zwischen den grauen Betontürmen das Sein das Bewusstsein: Mehr als ein nüchternes, flüchtiges Kopfnicken hat da doch keiner für den anderen übrig, wie der Nebenwohner heißt, interessiert auch nicht, und wenn mal jemand die Behausung eines anderen betritt, dann nur, weil sich der Postbote zuvor über den strengen Geruch im Flur beklagt hat. Schlimm! Doch zugegebenermaßen hat die Anonymität auch ihre guten Seiten, wie nun ein Autofahrer aus Vaterstetten erleben musste.
Der, so steht es im Polizeibericht, wurde nun wegen Fahrens ohne Führerschein aus dem Verkehr gezogen. Was zunächst wenig ungewöhnlich ist - wohl aber, was zu diesem Vorgang geführt hatte. Denn laut Bericht fiel einer Streife "im fließenden Verkehr" ein Fahrzeug auf, "dessen Halter bekannterweise nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis ist". Wieso diese Tatsache den Polizisten bekannt war, wird nicht weiter ausgeführt, aber man kann sich die Situation trotzdem gut vorstellen.
Da stehen zwei Beamte am Straßenrand und plötzlich fährt der Seppi vorbei. Obwohl die beiden ihm doch am vergangenen Freitag erst den Führerschein abgenommen haben. Mal wieder, weil er es bei einer Einladung einfach nicht bei einem Bier bewenden lassen kann, und danach auch noch in der Gegend umeinanderfahren muss. Also schnell rein in den Dienstwagen und hinterher, freundlich gegrüßt: "Servus Seppi, was machst denn wieder für einen Schmarrn, jetzt gehst aber zu Fuß heim." Oder so ähnlich. Eins ist sicher: In der Stadt wäre das nicht passiert.