Mitten in Kirchseeon:Blaue Bänder, grüne Bäume

Lesezeit: 1 min

Nur noch einen Monat bis zum Fest, da wird es langsam Zeit für einen Baum, wie diesen in Kirchseeon. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ist es nicht eine Pracht, das herrliche Novemberwetter? Doch man darf sich davon nicht verleiten lassen, wichtige Besorgungen aufzuschieben

Von Wieland Bögel

November lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte. So oder zumindest so ähnlich freute sich vor gut eineinhalb Jahrhunderten der Dichter Eduard Mörike und würde es heute wohl genauso tun. Ist es nicht eine wahre Pracht, das herrliche Novemberwetter? Strahlender Sonnenschein, zweistellige Temperaturen - und zwar mit einem Plus davor - schönstes Alpenpanorama, vor dem sich muntere Ausflüglergruppen samt Hund durch die grünen Wiesen tummeln.

Dabei ist es nur noch genau ein Monat bis Weihnachten, wie ein Blick in den unbarmherzigen Kalender offenbart. Auch sonst sind die Anzeichen für das winterlichste aller Feste unübersehbar: Bereits seit Wochen nimmt die Weihnachtsbeleuchtung an Straßen und Plätzen exponentiell zu, sämtliche Geschäfte haben ihr Sortiment vollständig auf die Bereiche Lebkuchen, Schokonikoläuse, Plätzchen und verwandte Produkte umgestellt, Einladungen für Weihnachtsmärkte haben die übliche Produktwerbung nahezu komplett abgelöst. Doch es wirkt nicht, man glaubt es einfach nicht und möchte angesichts des Spätsommers da draußen den ganzen Weihnachtsboten ein fröhliches "Bah! Humbug!" entgegenschleudern...

Doch plötzlich stehen sie da, eine Gruppe Halbstarker in Grün, eine Tannenbande lungert in Kirchseeon am Straßenrand herum, bereit, in die Häuser ahnungsloser Menschen einzudringen und rücksichtslos Weihnachtsstimmung zu verbreiten. Und es wirkt bereits: Sind die Zeichen nicht untrüglich, die bevorstehenden Weihnachtsmärkte, die 24 im Kalender, die unübersehbare Weihnachtsbeleuchtung in Fußgängerzonen und Einkaufszentren, die außerdem offenbar ausschließlich weihnachtliche Produkte feilbieten. Jetzt heißt es schnell sein, trotz empörten Hupens und unweihnachtlicher Gesten der anderen Verkehrsteilnehmer sofort am Straßenrand anzuhalten und einen der grünen Gesellen ins Auto zu zerren. Denn sonst ist es vielleicht zu spät und es bleiben am Ende nur die unvergesslichen Worte von Mörikes Kollegen Rainer Maria Rilke, der so, oder zumindest so ähnlich klagte: "Wer jetzt keinen Baum hat, findet keinen mehr."

© SZ vom 24.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: