Mitten in Ebersberg:Granteln an der Regenrinne

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Ein Anwohner in der Heinrich-Vogl-Straße hat eine heilige Wut auf Autofahrer, die immer seine Einfahrt zuparken. Und offenbar hat er auch eine bestimmte Personengruppe im Verdacht

Von Christian Endt

Obwohl man wie immer knapp dran ist für die S-Bahn, hält man kurz inne. Schließlich prangt an dieser Regenrinne in der Heinrich-Vogl-Straße das offizielle Wappen des Freistaats Bayern, samt Krone und Löwen. Angebracht ist das Hoheitszeichen auf einem weißen Blatt Papier, welches laminiert und mit zwei schwarzen Kabelbindern an die Regenrinne montiert wurde.

Unter dem Bildchen steht so eine Art Text: "Fia olle Autofahra, de nua ,Singa und Klatschn' in da Schui ghobt ham: Des is a Ausfahrt! Do kemmand Autos ausa! Selbst wennst dein Nam danzn kannst do is Parkn Verboten!" Ganz unten ist das Piktogramm eines Abschleppwagens zu erkennen.

Der Reflex, auf Probleme aller Art erst einmal mit einem Schild zu reagieren - das ist ja mindestens ein bundesdeutsches, womöglich gar ein globales Phänomen. Was einem allerdings nur in Bayern begegnet, ist das Verfassen dieser Tafeln in einer krampfhaften Verschriftlichung von Mundart, die ja in ihrer Eigenschaft als solche für den mündlichen Gebrauch gedacht ist. Andererseits entfaltet der bairische Dialekt seine volle Kraft und Pracht erst dann, wenn er zum Schimpfen und Fluchen eingesetzt wird. Auf gut Bairisch: zum Granteln. Und grantig, das ist der Verfasser dieser Sätze offensichtlich schon.

Aber Sinn und Zweck eines jeden Schildes ist es, eine Botschaft zu übermitteln. Dabei ist es hilfreich, wenn der Empfänger diese auch versteht. Daher eilt man einigermaßen verwirrt weiter zum Bahnhof. Hatte man doch bisher gedacht, mit dem Falschparken ist es wie mit allem anderen Fehlverhalten auch: Das machen immer nur die anderen. Die Preißn also und sonstige Zuagroaste. Oder hat man da jetzt was falsch verstanden?

Nun schlägt der Autor dieser laminierten Zeilen eine andere Deutung vor. Wie ein kurzer Blick ins Handwörterbuch der stupiden Stereotype bestätigt, spielen "Singa und Klatschn" sowie "Nam danzn" auf Waldorfschüler an. Zu deren Kenntnis der Straßenverkehrsordnung liegen keine belastbaren Daten vor. Haben die eigentlich eigene Waldorf-Fahrschulen? Rein zahlenmäßig jedenfalls sind die Preißn die wahrscheinlichere Tätergruppe. Vielleicht war's aber auch einfach ein gstandener Oberbayer.

© SZ vom 15.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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