Das Haus verliert nichts, behauptet eine Redensart, verschweigt dabei aber einen wichtigen Punkt: Manchmal rückt es die Dinge auch nicht wieder heraus, das Haus. Dessen Größe ist dabei im Übrigen völlig unerheblich, für das mysteriöse Verschwinden von Dingen macht es keinen Unterschied, ob man sich in einer Gartenhütte oder, sagen wir, dem Landratsamt befindet. Sagen wir natürlich nicht einfach so, sondern aus aktuellem Anlass: Im Landratsamt ist nämlich etwas durchaus Wichtiges verschwunden, so wichtig, dass der Verlust nun sogar im offiziellen Amtsblatt kund getan wurde: Ein Dienstsiegel, genauer das Dienstsiegel mit der Nummer 6, ist schon seit geraumer Zeit unauffindbar und wurde nun per Bekanntmachung im Amtsblatt für ungültig erklärt.
Im Prinzip sei das wie bei einem verlorenen Sparbuch, erläutert Andreas Stephan, Leiter der Zentralabteilung im Landratsamt. Dies müsse man auch für ungültig erklären lassen, damit kein Unbefugter damit Unfug macht. Wobei sich der Unfug, den man mit einem Amtssiegel treiben könne, eher in Grenzen halte. Daher geht man im Landratsamt auch nicht davon aus, dass es gestohlen wurde, vielmehr ist ein auch aus Privathaushalten bekanntes Phänomen wohl ursächlich für das Verschwinden: ein Umzug. Bei der Umräumerei im Zuge der Generalsanierung war das Siegel Nummer 6 wohl falsch abgelegt worden, zumindest ist der betreffende Karton nicht mehr aufzufinden. Es sei aber nicht auszuschließen, dass er noch irgendwo im Haus steht.
Falls sich das Haus irgendwann bereit erklärt, das Siegel wieder herauszurücken, könnte man es auch wieder in Dienst stellen. In der Zwischenzeit werde man ein neues Siegel bestellen, natürlich nicht mit der Nummer 6, um Verwechslungen auszuschließen. Die Gefahr, dass nun aber Urkunden und Beglaubigungen unbesiegelt herumliegen, besteht im Übrigen nicht. Laut Stephan verfügt das Landratsamt nämlich noch über andere Siegel. Wie viele? "Ich glaube, es sind zehn."